Dein Widerspruchsgeist in allen Ehren (ich schreibe das mal wohlwollend deinem Sinn für Ausgewogenheit zu), aber wenn man anfängt, eine Partei zu verteidigen oder zu relativieren, die in ihrer momentanen Ausrichtung klar rechtsradikal agiert/spricht, ist für mich eine Grenze erreicht.
Ich kann @folkfriend sehr gut verstehen, wenn er bei diesem Thema auch mal sehr emotional wird, denn wenigstens erkennt er die Gefahr. Auch Hitler kam einst demokratisch legitimiert an die Macht. Ich finde es bedauerlich genug, dass noch zu meinen Lebzeiten wieder Faschisten die echte Chance haben, Macht zu erlangen. Deine Replik, Politik zu machen, die nicht am „echten Wählerwillen vorbei geht“, klingt nach Aiwanger. Laut Umfragen wollen 70-80 Prozent der Wähler eine Politik, die sich um Umwelt und Klimawandel kümmert. Wenn es aber an praktische Politik geht, wählen die Leute gern das „Weiter-so“, und zwar nicht etwa, weil eine AFD erkennen würde, wie gescheite Umweltpolitik geht (wenn du ernsthaft glaubst, dass sich bei denen auch nur ein Abgeordneter um Umweltschutz schert, ist dir nicht mehr zu helfen), sondern weil sie an niedere Empfindungen appellieren, einfache (aber falsche) Lösungen anbieten und Ängste schüren.
Auch die floskelhafte Mär, „zufriedene Bürger werden nicht zu Protestwählern“, hält keiner genaueren Analyse stand. Ich bin sehr oft unzufrieden mit der Politik, aber der Gedanke, eine faschistische Partei zu wählen, ist mir trotzdem noch nie gekommen, und selbst die zutreffendste Analyse sämtlicher französischer und sonstiger europäischer Soziologen bezüglich der Gefühlslage von Wählern, die Rechtspopulisten zugetan sind, hat mir das auch noch nicht schlüssig erklären können. Ich fühle mich auch keineswegs verarscht als Grünen-Wähler wegen der Waffenlieferungen, sondern beuge mich den Realitäten, wo ich Diktaturen und autoritäre Regimes als Bedrohung nicht nur der Ukraine ansehe, sondern als Bedrohung für freie Länder.
Es geht auch nicht um „Protest“. Die AfD ist gerade dabei, in den ersten Bundesländern an die Regierung zu gelangen. Wer da noch von Protestwahl spricht, hat den Schuss nicht gehört, sorry.
So, so hört sich das also an, wenn ich auch mal emotional werde. Aber um @jep zu paraphrasieren: manchmal gibt es Wichtigeres.
Daher aber jetzt nochmal zu unserer Ausgangslage beim BVB:
Ich sehe es wie @jep, ich kann einen wohl nicht allzu hellen 22-Jährigen nicht so ernst nehmen, dass ich ihm sein unreifes Denken oder Sozialverhalten so übel nehme, um nicht für den BVB zu spielen. Aber die Grundproblematik, die @folkfriend ausgemacht hat, besteht durchaus: worin besteht der Sinn eines Wertekatalogs, den sich ein Verein auf die Fahnen schreibt, wenn es ein Lippenbekenntnis bleibt? Diese Frage haben wir uns für uns selbst ja auch schon gestellt. Und ich will die Dinge nicht zu sehr vereinfachen, gerade die Transgender-Frage ist relativ komplex.
Aber ich finde, und deswegen nochmal an dickes Lob an @folkfriend’s engagierte Wortmeldungen:
wenn ich mich weltweit so umschaue, kommen überall Rechtspopulisten und Rechtsradikale aus den Löchern. Deutschland, Frankreich, die üblichen Verdächtigen sowieso, sogar bei den Skandinaviern (Finnland, Schweden) reden wir von Regierungsbeteiligungen, nicht weniger.
Und deswegen ist auch bei mir der Geduldsfaden mit Relativierungen und sachlicher, rein argumentativer Reaktion darauf deutlich dünner geworden. Es ist an der Zeit, aufzuwachen (und zwar nicht nur, aber auch im woken Sinne), sich für Werte zu engagieren und Flagge zu zeigen.