Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 1)

Das greift zu kurz.
Du stellst es so dar, als wenn die Grünen nur widerwillig von ihren Prinzipien abweichen würden, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden.
So ist es aber ja ganz und gar nicht.
Oder verstehe ich falsch, worauf du hinauswillst?

Hier haben sie wenigstens noch so getan, als wenn es ihnen schwerfallen würde.

Teils, teils. Mit dem Koalitionsfrieden hat dies in der Tat nichts zu tun. Grundsätzlich meine ich, dass sie diese Entscheidungen alles andere als freudig treffen. Hier wie in vielen anderen Fragen - z.B. EU-Flüchtlingskompromiss, zeitweiser Weiterbetrieb von Atomkraftwerken, Ankauf von Frackinggas - treffen sie für sie selbst schmerzhafte realpolitische Entscheidungen, die sie dem Schutz der Nachbarländer Russlands und der demokratischen Gesellschaften Europas unterordnen.

EDIT nach Lektüre des Artikels: Ja, und Fehler machen sie auch. Zum Leidwesen ihrer Wähler - und zur Freude der politischen Gegner. Business as usual also.

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Empfinde ich komplett anders.
Gerade bei den Waffenlieferungen in die Ukraine, sind es die Grünen, denen es gar nicht schnell und schwer genug sein kann.

Gut, worauf willst Du hinaus? Sind sie aus Deiner Sicht die verlogensten Hunde unter der Sonne? Meinetwegen. Von der Politik erwarte ich mir keine moralische Anführerschaft. Zum Glück aber gibt es ja noch die AfD. Deren Politiker meinen wenigstens, was sie sagen. Dass es in der Sache unerträglicher Schrott ist, sollte uns dann nicht kränken.

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Trifft es ganz gut, würd ich sagen.

Was du mit der Erkenntnis machst, geht mich nichts an.

Natürlich nicht. Aber vergiss nicht die auf den von Dir zitierten folgenden Sätze. Ich füge noch einen hinzu: Wir müssen sie ja nicht wählen.

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Echt? Kannst du das näher erläutern? Ist mir klar - ist naiv von mir. Aber genau das würde ich erwarten. Und nicht nur Politik um das wirtschaftliche Wachstum aufrecht zu erhalten.

2015, als Merkel die Züge reingelassen hat, war ich fast etwas „stolz“ auf dieses Land.

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Beziehst du dich da auf das Abschalten der ökologisch „sauberen“ AKWs?

Gerne. Diese Äußerung lässt sich nur richtig verstehen im Kontext des längeren Dialogs mit Tobi, dem es ja ersichtlich darum ging, seiner Fundamentalkritik an den Grünen Geltung zu verschaffen, und der meine Differenzierungen geflissentlich beiseite schob. Natürlich teile ich sein Urteil in dieser Schärfe nicht. Andererseits gebe ich zu, dass die Grünen durchaus auch Fehler machen. Und dass es wahnsinnig schwierig ist, in der Politik moralische Grundsätze konsequent zu verwirklichen.

Folgende Fragen stellen sich mir dazu: wie ehrlich meinen wir die auf diesen Punkt zielende Kritik? Üben wir sie vielleicht nur deswegen, weil sie sich gegen den politischen Gegner richtet? Sind wir bereit, die mit einem solchen moralischen Anspruch verbundenen Schwierigkeiten überhaupt anzuerkennen? Und, last but not least: Legen wir überhaupt Wert darauf, dass Politik als gut erkannte Prinzipien umzusetzen versucht? Als es um die One-Love-Binde ging, war - auch hier - vielfach zu vernehmen, die westlichen Nationen sollten den Rest der Welt bittschön mit ihrer exklusiven Interpretation der Menschenrechte verschonen. Insofern habe ich bei all der Empörung über die Waffenlieferungen den Eindruck, vielen gehe es einfach um das billige Gas aus Russland, etc.

Fazit: Aus meiner Sicht ist Politik aus strukturellen Gründen eklatant überfordert mit einem Anspruch an moralische Anführerschaft. Sie sollte sich aber auch nicht zynisch gegenüber moralischen Erwägungen und Prinzipien verhalten. Da bin ich völlig bei Dir.

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Sagt ihr bitte Bescheid, wenn es hier wieder um Fußball im Allgemeinen und den BVB im Besonderen geht? Danke!

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Du hast recht. Wobei: manchmal gibt es sogar noch Wichtigeres als den BVB. Zum Beispiel den FCB. :upside_down_face:

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Nicht konkret, aber auch ein spannender Punkt.
Lt. Habeck sind die AKWs in der Ukraine sicher (Kriegsgebiet) und können natürlich weiterlaufen, weil sie ja eh schon gebaut sind, aber in Deutschland mussten sie auf Teufel komm raus abgeschaltet werden.
Dafür verpesten wir jetzt die Umwelt mit Braunkohle.
Macht richtig Sinn.

Gibt aber auch noch andere Themen, wo die Grünen sich nicht so gerne mit Wissenschaftlern unterhalten.

Dein Widerspruchsgeist in allen Ehren (ich schreibe das mal wohlwollend deinem Sinn für Ausgewogenheit zu), aber wenn man anfängt, eine Partei zu verteidigen oder zu relativieren, die in ihrer momentanen Ausrichtung klar rechtsradikal agiert/spricht, ist für mich eine Grenze erreicht.
Ich kann @folkfriend sehr gut verstehen, wenn er bei diesem Thema auch mal sehr emotional wird, denn wenigstens erkennt er die Gefahr. Auch Hitler kam einst demokratisch legitimiert an die Macht. Ich finde es bedauerlich genug, dass noch zu meinen Lebzeiten wieder Faschisten die echte Chance haben, Macht zu erlangen. Deine Replik, Politik zu machen, die nicht am „echten Wählerwillen vorbei geht“, klingt nach Aiwanger. Laut Umfragen wollen 70-80 Prozent der Wähler eine Politik, die sich um Umwelt und Klimawandel kümmert. Wenn es aber an praktische Politik geht, wählen die Leute gern das „Weiter-so“, und zwar nicht etwa, weil eine AFD erkennen würde, wie gescheite Umweltpolitik geht (wenn du ernsthaft glaubst, dass sich bei denen auch nur ein Abgeordneter um Umweltschutz schert, ist dir nicht mehr zu helfen), sondern weil sie an niedere Empfindungen appellieren, einfache (aber falsche) Lösungen anbieten und Ängste schüren.

Auch die floskelhafte Mär, „zufriedene Bürger werden nicht zu Protestwählern“, hält keiner genaueren Analyse stand. Ich bin sehr oft unzufrieden mit der Politik, aber der Gedanke, eine faschistische Partei zu wählen, ist mir trotzdem noch nie gekommen, und selbst die zutreffendste Analyse sämtlicher französischer und sonstiger europäischer Soziologen bezüglich der Gefühlslage von Wählern, die Rechtspopulisten zugetan sind, hat mir das auch noch nicht schlüssig erklären können. Ich fühle mich auch keineswegs verarscht als Grünen-Wähler wegen der Waffenlieferungen, sondern beuge mich den Realitäten, wo ich Diktaturen und autoritäre Regimes als Bedrohung nicht nur der Ukraine ansehe, sondern als Bedrohung für freie Länder.
Es geht auch nicht um „Protest“. Die AfD ist gerade dabei, in den ersten Bundesländern an die Regierung zu gelangen. Wer da noch von Protestwahl spricht, hat den Schuss nicht gehört, sorry.

So, so hört sich das also an, wenn ich auch mal emotional werde. Aber um @jep zu paraphrasieren: manchmal gibt es Wichtigeres.
Daher aber jetzt nochmal zu unserer Ausgangslage beim BVB:

Ich sehe es wie @jep, ich kann einen wohl nicht allzu hellen 22-Jährigen nicht so ernst nehmen, dass ich ihm sein unreifes Denken oder Sozialverhalten so übel nehme, um nicht für den BVB zu spielen. Aber die Grundproblematik, die @folkfriend ausgemacht hat, besteht durchaus: worin besteht der Sinn eines Wertekatalogs, den sich ein Verein auf die Fahnen schreibt, wenn es ein Lippenbekenntnis bleibt? Diese Frage haben wir uns für uns selbst ja auch schon gestellt. Und ich will die Dinge nicht zu sehr vereinfachen, gerade die Transgender-Frage ist relativ komplex.
Aber ich finde, und deswegen nochmal an dickes Lob an @folkfriend’s engagierte Wortmeldungen:
wenn ich mich weltweit so umschaue, kommen überall Rechtspopulisten und Rechtsradikale aus den Löchern. Deutschland, Frankreich, die üblichen Verdächtigen sowieso, sogar bei den Skandinaviern (Finnland, Schweden) reden wir von Regierungsbeteiligungen, nicht weniger.
Und deswegen ist auch bei mir der Geduldsfaden mit Relativierungen und sachlicher, rein argumentativer Reaktion darauf deutlich dünner geworden. Es ist an der Zeit, aufzuwachen (und zwar nicht nur, aber auch im woken Sinne), sich für Werte zu engagieren und Flagge zu zeigen.

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Ernsthaft jetzt? @918 seine dauernden Posts obskurer Quellen vorhalten, aber dann ähnlich verfahren? Willst du ernsthaft behaupten, dass die Grünen sich nicht an die Wissenschaft halten, nur weil ein einzelner die praktische Politik nochmal anders auslegen würde, bei einem Thema, das an Komplexität aber ganz sicher deine, meine und die Expertise vieler anderer aber sowas von komplett überfordert?

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Das ist richtig und mir persönlich auch lieber als ein (zu) stures Festhalten an einer Ideologie.
Mit einer Avantgarde, die meint, nur sie wüsste, was gut für das Volk/ die Welt ist, kann ich nicht so viel anfangen und es gibt genug Beispiele in der Geschichte, in denen es desaströs endete, auch wenn teilweise gute Absichten dahinter steckten.

Ab einer bestimmten Größe wird mMn jede Partei gezwungen sein, den Spagat zwischen der Generierung von Wählerstimmen und dem Festhalten an den eigenen Prinzipien zu schaffen. Spätestens wenn es darum geht, die Kandidaten für Wahlen festzulegen, wird es bei jeder Partei viele Delegierte geben, die die Kandidaten nicht ausschließlich nach ihrer Integrität und Treue zur Partei-Ideologie wählen, sondern auch immer darauf schauen, wie groß die Chancen sind, mit dem jeweiligen Kandidaten ordentlich Stimmen zu gewinnen, so dass möglicherweise für einen selbst auch noch ein einträglicher Posten abfällt.
Ich habe das Gefühl, dass auf den unteren Ebenen der Partei noch viel mehr Idealisten am Werk sind und je weiter man nach oben kommt, der Anteil der Pragmatiker immer größer wird. Ich denke, dass das vorrangig daran liegt, dass man, wenn man einmal Berufspolitiker war, im Regelfall nicht mehr in seinen vorherigen Beruf (insofern man überhaupt einen hat) zurückkehren will. Somit sind viele verständlicherweise bereit, Prinzipien und Ideologien über Bord zu schmeißen, bevor man selber über Bord geht.

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Wo habe ich denn eine Partei verteidigt, oder irgendwas relativiert?

Ich will ernsthaft behaupten, dass die Grünen nicht wirklich auf wissenschaftliche Erkenntnisse warten, sondern ideologisch motiviert ( und Verfassungswidrig) versucht haben, ein Gesetz durch den Bundestag zu peitschen, bei dem überhaupt nicht klar ist, was es überhaupt nutzt.

Die AfD wird mMn immer weiteren Zulauf bekommen, solange sich die restlichen Parteien nicht wieder stärker voneinander unterscheiden. Durch den Erfolg der AfD sind die restlichen Parteien ja trotz gelegentlichem Schaumschlagen im Parlament mehr oder weniger zur Zusammenarbeit gezwungen. Das an sich ist ja eigentlich das Wesen der Demokratie und nicht verwerflich, aber wenn es dazu führt, dass die Regierungsparteien ohne jegliche Diskussionen ihre Beschlüsse durchwinken wollen, dann ist die Demokratie auch in Gefahr.
Ein weiteres Problem sehe ich darin, wenn Parteien irgendwann nur noch aus dem Grund Koalitionen eingehen, damit man die AfD von der Macht weghält. Somit ist doch eigentlich klar, dass es immer schwieriger wird, ein eigenes Profil zu zeigen, da zu starke Diskussionen ja schon wieder die Gefahr eines Zerbrechens der Koalition bedeuten könnten und somit Neuwahlen und evtl. einen weiteren Stimmenzuwachs der AfD.
So war es auch in der Weimarer Republik. Irgendwann waren die Feinde der Republik (Nazis und auch KPD) so stark, dass es nur noch für eine Mehrheit gereicht hätte, wenn alle anderen Parteien koalieren. Irgendwann war sogar diese Konstellation nicht mehr gegeben, da NSDAP und KPD zusammen über 50% hatten.
Was wäre eine Lösung? Mir persönlich gefiele das Prinzip der Minderheitsregierungen ganz gut. Statt die Abgeordneten der eigenen Partei zu bloßen Abnickern zu degradieren, muss bei allen Sachfragen versucht werden, eine Mehrheit im Parlament zu finden, zur Not auch außerhalb der eigentlichen Regierungsparteien. Da kann dann jede Partei zeigen, was sie so drauf hat. (Ideen, Flexibilität…)
Dann müsste man allerdings auch akzeptieren können, dass auch mal ein Gesetz durchgeht, bei dem die AfD zugestimmt hat. Nehmen wir mal an, ein Gesetz über den Weiterbetrieb von AKWs würde durch die Stimmen der Union, FDP und AfD durchgehen. Dann sollten mMn die anderen Parteien auch die Größe haben, das zu akzeptieren und nicht auf dem Prinzip beharren, dass man bestimmten Parteien keine Mitsprache einräumen will.
In Dänemark funktioniert das ganz gut und man hält die Rechtspopulisten konstant auf einem bestimmten Niveau, ohne Angst haben zu müssen, dass sie zu stark werden. Ich glaube sogar, dass es den Einfluss der radikalen Kräfte in der AfD verkleinern würde, wenn sich die AfD konstruktiver beteiligen müsste.

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Ist es nicht eher umgekehrt?
Je stärker eine Flügelpartei wie die AfD wird, desto weniger Hardcore-Nazis machen anteilsmäßig ihre Wählerschaft aus. Aktuelle Studien gehen von zwei Dritteln Proteststimmen für diese Partei aus.
Man kann es sich einfach machen, alle Wähler der Partei verteufeln und dreimal täglich zu Faschisten zu erklären. Dabei kann man - einer katholischen Fronleichnamsmonstranz gleich - in prächtigen Paraden seine eigenen Werte hochhalten.
Ob man damit das Ziel erreicht, Proteststimmen zurückzugewinnen (das sollte doch das Ziel sein, oder?), erscheint mindestens mal zweifelhaft.
Die Autorin Jana Hensel („Zonenkinder“) hatte schon vor einigen Jahren empfohlen, sich nicht mit Schaum vorm Mund, sondern differenziert damit zu befassen, womit die AfD punktet:
„Die AfD hat keine Lösungen, aber sie zeigt Probleme auf. Wenn man daran etwas Positives finden will: Immerhin macht es Politik lebendiger. Nun ist es an uns, über uns, unser Land und unsere Zukunft anders nachzudenken. Gerade weil die bisherigen Antworten nicht mehr allen genügen.“

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Das war sicher ein Problem in der Ära Merkel. Heute haben wir nicht zu wenig, sondern eher zu viel Streit, sowohl in der Ampel als auch mit der Union, die dabei ist, sich mehr von ihrem potentiellen Koalitionspartner, den Grünen, abzugrenzen als von der AfD.

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