Gräm Dich nicht, @umut. Wenn es Dich tröstet: Ich sehe die Sache ganz ähnlich wie Du. Zwar halte ich es für möglich, dass Eberl in der Frage des Williams-Transfers gelogen hat, aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass er nicht gelogen hat.
Die Lüge an sich hat grundsätzlich die negative Externalität, dass man damit seine Glaubwürdigkeit unterminiert. Glaubwürdigkeit ist überall im Leben, aber insbesondere in einem Berufskontext, in dem man belastbare Absprachen mit Gesprächspartnern über Deals in Millionenhöhe treffen können muss, auf die sich alle beteiligten Seiten verlassen können müssen, ein hohes Gut. Mit jeder Lüge über die wahren Umstände eines nicht zustandegekommenen Geschäfts reduziert Eberl seine Möglichkeit, in Zukunft ähnliche Geschäfte wieder machen zu können. Die einmal Belogenen oder falsch Dargestellten vergessen nicht. Nicht ganz unwahrscheinlich informieren sie auch ihre Kollegen. Dass Eberl gelogen hat, spräche sich in der Beraterszene herum. Wenn es keine dringenden oder überragend wichtigen Gründe gibt, in einer konkreten Sache zu lügen, lässt man es daher besser. Diese konkreten oder überragend wichtigen Gründe sehe ich in der Causa Williams nicht. Ich folge hier Deiner Argumentation. Die Lüge hätte ihm keine besonderen Vorteile in Sachen PR oder Außendarstellung geliefert. Daher schätze ich die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht gelogen hat, höher ein als die, dass er gelogen hat.
Was Eberls Rolle im Verein insgesamt angeht, bin ich noch unschlüssig. Hinsichtlich des Ablaufs war das Transferfenster eine Katastrophe: unstrukturiert, widersprüchlich, sprunghaft, improvisiert, konzeptlos, ziellos, konfus, ohne Strategie – heute hü, morgen hott. Das mit Abstand Beste daran war das Ergebnis. Hier sind wir uns, glaube ich, alle einig.
Natürlich trägt der Vorstand Sport, der ranghöchste Mitarbeiter für das Thema Sport im gesamten Club, einen gewichtigen Anteil daran, dass der Prozess so aussah, wie er aussah – schon aus rein formalen Gründen. Höher als Eberl geht es in Sachen Sportverantwortung beim FC Bayern nicht mehr. Er ist der „Top Dog”.
Aber wir wissen empirisch, dass der eigentliche „Top Dog” Uli Hoeneß ist. Dass Eberl nach dem Verkauf von Coman eigentlich einen weiteren Spieler kaufen wollte, dann aber die Vorgabe von Hoeneß, „ab jetzt nur noch Leihen”, die ihn völlig kalt erwischt hatte und ihm sichtlich nicht schmeckte, exekutieren musste, ist nur der jüngste Beweis dafür. Dass er beim Transfer von Luis Díaz nur eine Nebenrolle neben dem eigentlichen Verhandlungsführer Dreesen eingenommen haben soll, ist ein anderer Beweis (auch wenn Dreesen natürlich nicht Hoeneß ist).
Wenn Eberl aber gar nicht das letzte Wort beim Abschluss der Transfers hat und vielleicht noch nicht einmal über die Wahl der Transferziele und ihre Modalitäten (Leihe, Kauf, Zeitpunkt der Verhandlungsaufnahme, Gehalt usw.) entscheidet, wie soll man ihn dann für die daraus resultierenden Probleme verantwortlich machen? Der gesamte Transferprozess wirkte phasenweise planlos und konfus. Man kann Eberl vielleicht vorwerfen, dass er sich nicht stärker für die Durchsetzung seiner formalen Autorität einsetzt, die ihm seine Stellenbeschreibung verleiht. Man muss ihm vielleicht vorwerfen, dass er entweder nicht bereits vor Beginn des Transferfensters mit einem klaren Plan an den Aufsichtsrat (sprich Hoeneß) herangetreten ist, in dem er, Eberl, darlegt, welche Transfers er mit welchem Ziel durchzuführen gedenkt, und ihn, den Aufsichtsrat, davon überzeugt, ihm freie Hand und die entsprechenden Mittel zu geben, damit er seinen Plan ohne Überraschungen und plötzliche Eingaben zum Gegenteil auch wirklich durchführen kann, oder aber, dass er zwar mit einem solchen Plan an den Aufsichtsrat herangetreten ist, diesen aber von der Güte dieses Plans nicht überzeugen konnte.
Wenn Eberl zwar Autorität, aber keinen Plan hatte, lässt ihn das schlecht aussehen. Wenn er einen Plan hatte, diesen aber nicht durchsetzen konnte, lässt ihn das ebenfalls schlecht aussehen. Wenn er einen Plan hatte und den Aufsichtsrat (Hoeneß) auch davon überzeugen konnte, dieser sich aber trotzdem ständig und teilweise fundamental einmischt, macht das Eberl zu einer hilflosen Marionette und er sollte kündigen. In diesem Fall ist er jedoch bei der Bilanzierung des Transferfensters für die Fehler, Unzulänglichkeiten und Konfusion, die wir alle beobachtet haben, auch nur bedingt haftbar zu machen.