Laut der SZ ist man sich intern beim BVB auch nicht ganz einig.
Sammer & Mislintat auf der einen, Ricken und Watzke auf der anderen Seite. Und irgendwo dazwischen Kehl, der erst frisch seinen Vertrag verlängert bekommen hat.
Game of Thrones am Borsigplatz…
Nach SZ-Informationen haben sich Matthias Sammer und Sven Mislintat für eine Ablösung von Sahin positioniert. Besonders pikant: Der BVB-Berater und Chefscout befürworten offenbar auch die Entlassung von Sportdirektor Sebastian Kehl.
Während Sammer und Mislintat davon überzeugt sind, dass ein Trainerwechsel unausweichlich ist, haben die beiden BVB-Bosse Hans-Joachim Watzke und Lars Ricken eine abwartende Haltung eingenommen und zögern mit einer endgültigen Entscheidung.
Das ist genau das Problem (oder die Stärke) von zu viel gemeinsamen Stallgeruch: Emotionale Bindungen, Abhängigkeiten, gefühlte gegenseitige Verpflichtungen („wir kennen uns schon so lange“, „feiner Kerl“, „so viel für den BVB getan“…). Aber wie bei jedem Verein stellt sich auch beim BVB natürlich berechtigterweise die Frage: Liegt es am Trainer oder doch am Kader, scheitert also der Nächste auch mit Ansage? Dass Watzke und Ricken da in einer doofen Situation sind, ist auch klar.
Wahrscheinlich an beidem?
Der Kader des BVB ist zwar grundsätzlich sicher noch gut. Aber eben nicht mehr so gut, dass du diskussionslos zumindest auf Platz 2 einlaufen wirst. Andere sind da mittlerweile auch dran, oder zumindest sehr nahe.
Und dann wirst du in einer Schwächephase eben leichter mal durchgereicht.
Für die uralte Frage: Liegt’s am Trainer oder liegt 's am Kader gibt es eine sehr nützliche Heuristik, die sehr einfach ist, aber große Klarheit verschafft:
Was würden Pep (oder Kompany) aus diesem Kader herausholen können?
Wenn man glaubt, dass wenn Pep oder Kompany heute in Dortmund übernehmen würden, die Mannschaft in drei Monaten nicht signifikant besser spielen würde als sie es unter Şahin täte, dann liegt die heutige Leistung wahrscheinlich eher am Kader, sonst eher am Trainer.
Persönlich glaube ich, dass es in Dortmund am Trainer liegt. Der Kader gibt viel mehr her als das, was Dortmund gerade leistet.
(Damit möchte ich nicht sagen, dass Şahin ein schlechter Trainer ist. Ich bin sogar sicher, dass er in allen technischen Bereichen ein ziemlich guter Trainer ist. Es scheint nur so zu sein, dass seine Idee vom Fußball, seine Ansprache, seine Persönlichkeit gerade nicht zu dem passt, was der Kader braucht oder akzeptiert.)
Ich verstehe deinen Punkt, würde aber in dem Fall und bei den genannten Namen widersprechen. Pep würde ja verzweifeln, wenn er mit DEM Kader Pep Fußball spielen lassen wollen würde. Wo ist der strategische, geniale, Ballverteiler, wo die weiteren Spieler, die für Ballzirkulation und -Besitz prädestiniert sind? Ich glaube eher, dass ein Typ a la Klopp kurzfristig pushen könnte. Bei Pep bräuchte es 1-3 Transferperioden.
Der fragile Gesamteindruck, den der BVB in vielen Spielen hinterlässt, führt mich zu meiner Hypothese von vor der Saison zurück, dass es für den Kader unmöglich sein wird, die Abgänge von Reus, Hummels und Füllkrug, die bei allen nachvollziehbaren und tw. massiven Schwächen aber eben auch jeder auf seine Art „Führungsspieler“ waren, zu kompensieren. Wer ist der verlängerte Arm? Wer stützt die anderen? Wer behält die Ruhe? Wer ist Identifikationsfigur?
Das ist mMn auch ein großes Problem der Truppe.
Da gibt es eigentlich nur noch Schlotterbeck und Ryerson, die bei Fans und Umfeld als „echte Borussen“ wahrgenommen werden.
Die beiden Kapitäne Can und Brandt, die auch schon lange im Verein sind, werden extrem kritisch gesehen. Das wird auch innerhalb der Mannschaft ähnlich sein, da bin ich recht sicher. Sahin stellt beide immer wieder auf, da gibt es keinerlei leistungsbezogene Wechsel oder ähnliches.
Wenn die Medienberichte stimmen, dann wurde Hummels quasi sanft gegangen, weil er maßgeblich dazu beitragen hat, Terzic abzusägen, was dann nach Tuchel schon der zweite BVB-Trainer wäre, der quasi über ihn gestolpert wäre. Sicher war der einer, dessen Wort Gewicht hat, aber der war halt eben nicht nur Identifikationsfigur, sondern auch intrigant.
Ich denke für jeden der Abgänge gab es gute (sehr unterschiedlich gelagerte) Gründe. In Summe sind dem Kader aber eben erfahrene, „Führungs“-Spieler verloren gegangen. Aus (nicht sportlicher) Vereinssicht konnte ich schon verstehen, warum Hummels in Ungnade gefallen war.
Du hast jetzt vier Spieler genannt, die gefühlt oder offiziell Führungsspieler sein sollten oder könnten.
Würdest du auch nur für einen aus Schlotterbeck, Ryerson, Can, Brandt eine reelle Chance sehen, bei Bayern in die Startelf zu kommen? … damit ist das Problem glaube ich hinlänglich beschrieben; mit der Truppe hat man es als Trainer echt nicht leicht.
So ein intriganter Hummels wäre dem Verein weiter nützlich gewesen, allein schon, um auch den anderen Spielern klar zu machen, dass Sahin, wie schon Terzic, auch keine langfristige Lösung ist.
Ich denke der BVB muss sich die ehrliche Frage stellen, welchen sportlichen Erfolg er langfristig anstrebt. Das als strategisches Ziel ausgeben und als zweiten Schritt dann den Kader schrittweise umgestalten.
Aktuell gibt der Verein zu viel für jeden Bundesliga-Punkt aus verglichen mit seinen direkten Konkurrenten Lepizig, Leverkusen und zuletzt Stuttgart. CL-Quali und DFB-Pokal-Halbfinals kann ein BL-Verein mit deutlich geringeren Gehaltsausgaben erreichen. Der BVB erkauft sich überschaubaren sportlichen Erfolg mit sehr viel Aufwand. Das schafft seit Jahren ein ziemliches Spannungsfeld zwischen Erwartung, Kosten und Vereinsidentität.
Wir haben dazu einmal eine 5-Jahres-Analyse veröffentlicht
Dortmund hat eine Weile versucht, bei Gehältern und Ablösesummen mit den ganz Großen mitzuspielen. Teilweise erfolgeich, wie die Erlöse von einigen jungen Topspielern in Europa zeigten. Die Kehrseite war, dass der Verein schnell in finanziell unruhiges Fahrwasser gelangen konnte, sollte einmal kein Volltreffer dabei sein. Es war also immer ein scharfer Ritt zwischen „was könnte klappen“ und „was droht uns“ bei insgesamt durchwachsenem sportlichem Erfolg.
Ein noch viel ernsteres Problem sehe ich in in der zunehmenden „Söldnerisierung“ einer solchen Strategie. Wer Jahr für Jahr (inbesondere) Bundesliga-Spieler und Nachbar-Talente v.a. mit höheren Gehältern austauscht, der läuft - gerade bei einem großen Verein - in die Gefahr einer gewissen Gleichgültigkeit und mangelnden Vereins-DNA. Ein Problem, das ja gerade von den BVB-Fans die letzten Jahre zunehmend kristisiert wird; in wichtigen Spielen versagte die BVB-Elf sehr gerne. (Das Problem sehe ich in gewissen Maße auch bei uns, wenngleich an einer anderen Wurzel und in deutlich gerigerem Ausmaß).
Aus meiner Sicht sollte der BVB seine Gehaltsausgaben auf 160 Mio. limitieren (das reicht statistisch für einen CL-Platz in der BL) und verstärkt auf Eigengewächse setzen. Diese dann langfristig in einem klar definiterten Spielsystem aufbauen und mit langen, bezahlbaren Verträgen an sich binden. Dazu einen Trainer installieren, der diese Philosophie vertritt und v.a. Zeit bekommt, es aufzubauen. Und v.a. ehrlich an die Fans kommunizieren: wir sind kein Top 10 Verein in Europa mehr und auch nicht „Leuchtturm Nummer 2“. Wir müssen uns anpassen.