Schade, lieber @Ibiza und lieber @cheffe, dass ich Eure sehr interessante Diskussion über die Aussagekraft von Neuers save percentage erst jetzt lese, wo sie Euch wahrscheinlich schon lange nicht mehr beschäftigt. Vielleicht darf ich trotzdem kurz meinen Senf dazu geben.
Methodisch gesehen hat @cheffe recht, @Ibiza. Die hohe Korrelation von save percentage und Gegentoren legt zwar einen Kausalzusammenhang zwischen beiden Größen nahe, aber ganz so glasklar und eindeutig , wie Du es annimmst, ist der nicht.
Wenn zwei statistische Variablen A und B eine hohe Korrelation aufweisen, gibt es folgende Möglichkeiten:
- A verursacht B.
- B verursacht A.
- A und B verursachen sich gegenseitig.
- Es gibt einen dritten Faktor, C, der für das scheinbar kausale Verhältnis zwischen A und B (mit-)verantwortlich ist („confounder“).
- Die Korrelation zwischen A und B ist komplett zufällig („Scheinkorrelation“).
In Deinem Fall sagst Du A = höhere save percentage verursacht B = geringere Anzahl Gegentore (pro Saison).
Aber ist das so eindeutig? Ist es nicht möglich, dass es einen oder mehrere dritte Faktoren, C, gibt, die sowohl die save percentage als auch die Anzahl der Gegentore beeinflussen? Cheffe hat die beiden offensichtlichen Kandidaten bereits genannt:
- Die Anzahl der hingenommen Schüsse aufs Tor
- Die Qualität dieser Schüsse
Es erscheint logisch, dass ein Torwart, der in einer Saison ausschließlich Schüsse aufs Tor aus maximal fünf Metern Entfernung hinnimmt, eine geringere save percentage haben wird als ein Torwart von identischer Qualität, der ausschließlich Schüsse aufs Tor aus mindestens 16 Metern Entfernung hinnimmt.
Es erscheint ebenso logisch, dass von zwei Mannschaften, deren Torwart in einer Saison jeweils eine save percentage von 70 % hatte, die Mannschaft weniger Gegentore hingenommen hat, die weniger Schüsse aufs Tor hinnehmen musste.
Um aus der Korrelation von save percentage und Anzahl der Gegentore eine Kausalität ableiten zu können, müsste man für diese potentiellen confounder kontrollieren. Wer sich als Torwart nur Schüssen aus fünf Metern oder Schüssen in den Winkel entgegensieht, kann noch so gut sein, der wird niemals eine hohe save percentage erreichen. Das Wachstum der Anzahl der Gegentore der Bayern in den letzten Jahren könnte also auch mit einem Wachstum an guten Chancen, denen sie sich ausgesetzt sehen, zu erklären sein. Wenn die gestiegen sind - und darauf hat ein Torwart ja schlechterdings keinen Einfluss, jedenfalls keinen direkten, wenngleich @cheffes Ausführungen zu dem indirekten Beitrag richtig sind - dann wäre dies ein weiterer Faktor neben der save percentage des Torwarts, der das Wachstum der Gegentore erklärt.
Interessanterweise gibt es bei fbref Statistiken wie post shot xG und post shot xG per shot on target sehr interessante Statistiken, die genau diesen Faktor der Schussqualität der Schüsse, die ein Torwart zu halten hat, berücksichtigen.
Für diese Faktoren müsste man kontrollieren, bevor man Deine Kausalität unterstellen kann, @Ibiza. Das wäre doch mal eine lohnende Rechercheaufgabe für Dich: Wie hat sich Manuel Neuers post shot XG in den letzten Jahren entwickelt? Hat die gefallene save percentage von Neuer möglicherweise weniger mit dessen abnehmender Qualität, sondern vielmehr mit einer zunehmenden Anzahl und Qualität der gegnerischen Schüsse, mit denen er sich konfrontiert sieht, zu tun? (Und wäre das dann nicht möglicherweise eher ein Problem der Mannschaft insgesamt als ein Problem nur von Neuer allein?)