Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen.
Der Transfer von Yann Sommer ist das eine, die Entlassung Ihres langjährigen Trainers Toni Tapalovic ist jedoch etwas ganz anderes, oder?
Dieser Schlag hat mich extrem getroffen.
Wer hat Sie informiert?
Die Verantwortlichen des FC Bayern. Für mich kam das aus dem Nichts. Für Toni auch. Ich habe das überhaupt nicht verstanden. Mich hat das richtig umgehauen.
Sie sind befreundet. Das macht den Fall umso schwieriger.
Toni war immer Teamplayer bei uns, so haben das alle gesehen. Er war nicht für mich da, sondern für die gesamte Torwartgruppe, für das Trainerteam und den Verein.
Das Berufliche und Private haben wir immer getrennt. Ich verstehe, dass es jetzt vielleicht so klingt, als sei ich nicht objektiv. Aber ich kann das wirklich unterscheiden. Er hat ja nicht elfeinhalb Jahre nur für mich gearbeitet, sondern für alle. Für mich war das ein Schlag, als ich bereits am Boden lag. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen, das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe. Und ich habe wirklich schon einiges erlebt.
Zum Beispiel 2011 beim Wechsel von Schalke 04 nach München: Die Schalke-Fans haben Sie verflucht, und ein Teil der Bayern-Fans wollte Sie am liebsten wieder wegschicken.
Auch das war krass. Ich habe mir ein dickes Fell zugelegt in all den Jahren. Doch was jetzt passiert ist, das ist noch mal eine ganz andere Hausnummer. Alle in unserer Torwart-Gruppe hat es zerrissen, da sind Leute in Tränen ausgebrochen.
Tränen, wörtlich?
Ich denke, das spricht für sich. Wir Torhüter sind zwar gewissermaßen ein Team im Team, aber Toni war in der ganzen Mannschaft beliebt.
Thomas Müller hat ihn öffentlich verabschiedet und seinen Anteil an den Erfolgen hervorgehoben.
Thomas war ja von Anfang an dabei, er war schon da, als wir kamen – unter Jupp Heynckes. Toni hatte damals sein Bewerbungsgespräch bei Jupp am Niederrhein gehabt. Was war Jupp immer wichtig? Wie jemand ist, wie er in die Mannschaft passt. Das Menschliche eben. Seitdem hat sich Toni nicht verändert, auch nicht nach über 30 Titeln und jahrelanger Erfahrung im Profifußball.
Was wurde Ihnen als Begründung für die Entlassung von Tapalovic mitgeteilt?
Eine für mich nachvollziehbare Begründung gab es nicht. Es wurden Dinge gesagt, die ich nicht teile. Aber ich habe keine Argumente gehört, die ausschließen, dass man miteinander hätte sprechen und die Dinge hätte klären können.
Sehen Sie einen Zusammenhang mit den Vorwürfen, die der vom FC Bayern verliehene Torwart Alexander Nübel geäußert hat: dass Tapalovic ihn nicht mehr kontaktiert habe, seitdem er bei AS Monaco spielt?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Tapa war damals verantwortlich für den Transfer nach München: Er hat Alex in Schalke gesehen, als noch kein anderer Klub richtig hingeguckt hatte, und ihn empfohlen. Tapa hat später genauso für Alex gearbeitet wie für mich, für Sven Ulreich und Christian Früchtl. In den ganzen Jahren habe ich nie etwas Negatives von irgendeinem Trainer über Toni gehört. Fragen Sie Pep Guardiola und seine Crew, Carlo Ancelotti oder Niko Kovac.
In Berichten wurde suggeriert, die Entlassung habe auch damit zu tun, dass Tapalovic Interna aus dem Trainerstab an Sie weitergeleitet und damit in die Mannschaft getragen habe.
Das kann ich zu hundert Prozent verneinen. Das hat Toni nie gemacht, egal unter welchem Trainer.
Der aktuelle Coach Julian Nagelsmann hat erklärt, mit Tapalovic sei „nie ein Miteinander entstanden“. Wie erklären Sie sich das?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin nicht Teil des Trainerteams.
Welche Gedanken haben Sie sich gemacht? Dachten Sie, Tapalovic’ Entlassung sollte am Ende Sie persönlich treffen?
Ich bin ganz ehrlich: Ich habe an alles gedacht. Auch was meine eigene Zukunft im Verein angeht. Aber die Verantwortlichen haben mir zugesichert, dass das nicht so ist. Ich habe meine Meinung gesagt – dass ich die Argumente nicht teilen kann – und ich hatte den Eindruck, das ist gut angekommen. So wie sich Oliver Kahn jetzt geäußert hat, hat er sicher nicht nur meine Haltung zum Thema Yann Sommer gemeint, sondern schon das große Ganze. Ich glaube, er fand es gut, dass ich stark aufgetreten bin, obwohl ich – ich muss das noch mal sagen – kalt und brutal erwischt worden bin. Es ist die Entscheidung des Vereins, ich muss es akzeptieren.
Was hinterlässt diese Geschichte bei Ihnen?
Große Enttäuschung. Das hat mit dem Menschlichen zu tun, dem Umgang mit einem verdienten Mitarbeiter: Wir wollen als Bayern München anders – eine Familie – sein. Und dann passiert etwas, das ich so hier noch nicht erlebt habe. Das ist für alle schade: für den Verein, für Tapa, für den Staff, für alle Torhüter und somit natürlich auch für mich. Dennoch will ich sagen: Auf der einen Seite bin ich Mensch, auf der anderen Seite bin ich Profi.
Was bedeutet das für Ihr Verhältnis mit Julian Nagelsmann?
Das heißt, dass ich mich mit Julian austausche und mit ihm professionell arbeite. Wir haben offen gesprochen, er weiß, wie ich dazu stehe. Ich schütze unser Hab und Gut und werde mich niemals querstellen. Weil ich Teamplayer bin und als Kapitän eine besondere Verantwortung habe.