MSR332: Rallelujah

Das Hauptproblem in dieser Saison hatte keiner auf der Rechnung - Bayer Leverkusen.
Wann hat denn in den letzten 12 Jahren eine Mannschaft außer dem FCB so eine Saison gespielt? Wer hat denn noch letztes Jahr im Frühjahr mit so etwas gerechnet?
Ja man war auch schon mal hinter dem Erzfeind - aber doch nicht so!
Welcher Verein hat denn so eine Serie hingelegt außer Pep in seiner besten Zeit.
Vor einem Jahr war man ohne Kane am 30. Spieltag Tabellenführer mit 18 Siegen und 62 Punkten. Und jetzt hat man trotz aller „Pleiten“ 21 Siege und 66 Punkte.
Aber da ist eben Bayer - ungeschlagen, 80 Punkte, Meister noch im Pokal.

Ohne Bayers phantastische Serie, die keiner auf der Rechnung hatte, wäre keiner auf die Idee gekommen, Tuchel zu kündigen - warum auch.
Aber das ist zum einen das Anspruchsdenken und zum andern die geschenkte Meisterschaft der letzten Saison.
Man könnte auch bösartig sagen, letzte Saison hatte von den ersten beiden eigentlich keiner die Meisterschaft verdient. Und dem FCB hat sie am meisten geschadet - nach dem Motto: geht doch, alles in Ordnung.
Nach Guardiola wurde immer der Trainer gefeuert, bei dem die Meisterschaft nach Auffassung der Vereinsführung in Gefahr schien.
Bei Ancelotti, bei Kovac, bei Nagelsmann, bei Tuchel.

Offensichtlich ist die Angst, den seit mittlerweile 12 Jahren besetzten Platz des Branchenprimus - wenn auch nur vorübergehend- zu räumen, größer als die Einsicht, notwendige Veränderungen planvoll anzugehen - zumindest bei bestimmten Herrschaften.

Man entlässt Tuchel, räumt im Nachinein ein, dass er mit seinen Analysen völlig richtig lag, bestellt einen neuen SV, der einen neuen Trainer finden soll.
Dass das Alonso nicht wird, war eigentlich in Kenntnis der Person von vorne herein klar. Und dann begann das Trauerspiel.
Nagelsmanns Verlängerung hat Eberl schon am 6.4. vorhergesagt.
Und dann wird plötzlich Rangnick der Topkandidat.
Ein Hoeneß sagt im Interview beim BR: Die Trainersuche ist Aufgabe von Eberl und Freund, aus dem operativen Geschäft halten wir uns raus.
Und heute morgen muss man bei diversen Medien lesen :
„Eberl hingegen - der nach zehn Monaten Leipzig mit Beigeschmack verlassen hatte und nach Xabi Alonso mit Nagelsmann und Roberto de Zerbi zwei andere Optionen im Sinn hatte - macht jetzt, nach knapp zwei Monaten beim FCB im Amt, erste Erfahrungen mit den beim FC Bayern greifenden Mechanismen und muss sich bei seiner ersten großen Aufgabe ein wenig der Mehrheit im Klub unterordnen.“

Der SV muss sich also unterordnen - Hoeneß hatte da was anderes gesagt.
Und wenn das dann wieder alles nicht hinhaut, wird der SV als Verantwortlicher gefeuert.
Es geht nicht um Plan, Konzept, System - sondern darum, die eigene Vorstellung durchzusetzen.

6 „Gefällt mir“

Ich finde, man sollte bei Real etwas differenzieren:
Real hat Geduld, wenn Trainer, die mit Real schon etwas Besonderes erreicht haben mal eine Durststrecke haben. Da wird auch unter Umständen sogar mal ein titelloses Jahr akzeptiert.
Trainer, die noch nichts mit Real gewonnen haben, können bei einer Krise schnell weg sein, siehe z.B. Rafa Benitez und Lopetegui, die beide nur kurze Zeit bei Real waren.
Jetzt kann man darüber spekulieren, ob die Verdienste von Nagelsmann und Tuchel (jeweils eine Meisterschaft, dafür auch teils peinliche Ausscheiden in KO-Wettbewerben) bei Real gereicht hätten, um sich eine Durststrecke zu erlauben.

2 „Gefällt mir“

Man sollte aber auch differenzieren, wie der Zustand der Mannschaft jeweils war. Zu beiden Zeitpunkten in München mMn nicht annähernd so schlimm wie bei Real bei den genannten Trainern.

Über den Zustand der Mannschaft kann ich ehrlich gesagt nicht so viel schreiben, weil mir dazu das Hintergrundwissen fehlt. Ich kann nur auf Zahlen verweisen und die waren folgendermaßen.
Benitez kam zur Saison 2015/16. Zum Hintergrund: Benitez hatte eine Vergangenheit als Nachwuchstrainer von Real und ging dann in die weite Welt, wo er wohl seinen größten Erfolg feierte, als er mit Liverpool die CL holte (nach 0:3 Rückstand gegen Milan im Finale).
Entlassen wurde er nach 18 Spieltagen. Damals lag Real auf Rang 3 mit 4 Punkten Rückstand auf Atletico, war also durchaus nicht chancenlos in der Meisterschaft. In der CL gewann man die Vorrundengruppe souverän mit 16 Punkten und ließ u.a. PSG deutlich hinter sich. Einen richtigen Bock schoss Benitzez im spanischen Pokal, als er einen Spieler einsetzte, der nicht spielberechtigt war und das Spiel nachträglich für den Gegner gewertet wurde. Ob das eine „logische“ Entlassung war oder ein Zeichen mangelnder Geduld, kann ich nicht beurteilen. Zur Einordnung: Im Jahr zuvor blieb Real titellos und somit war unter Benitez zumindest in der Hinsicht keine Verschlechterung zu erwarten, der man unbedingt gegensteuern wollte. Vielleicht hätte Benitez auch die CL geholt? Vielleicht hätte er sogar noch die Meisterschaft geholt? (Real wurde letztendlich Zweiter hinter Barca). Wenn der Nachfolger die CL holt und ihm das in den nächsten beiden Spielzeiten auch noch einmal gelingt, kann man wohl sagen: Alles richtig gemacht, Real. Es spricht aber nicht gerade dafür, dass der Klub Geduld beweist.
Bei Lopetegui war es so, dass man ihn unbedingt wollte und damit eine Krise im spanischen Fußball auslöste, die darin gipfelte, dass Lopetegui kurz vor Beginn der WM 2018 als Nationaltrainer entlassen wurde.
Wenn man zu solchen Schritten bereit ist, könnte man erwarten, dass man so viel vom Trainer hält, dass man ihm etwas mehr als 3 Monate zugesteht, oder? Man hat ihn nach 10 Spieltagen und einer Bilanz von 4-2-4 in der Liga entlassen. Tabellenrang 9 ist natürlich in Madrid desolat, aber der Abstand nach ganz oben waren 7 Punkte. In der CL war man mit 6 Punkten aus 3 Spielen zumindest auf Kurs Achtelfinale. Man darf auch nicht vergessen, dass es die erste Saison ohne CR7 war. Geduld mit dem Wunschtrainer und einer Mannschaft im Umbruch in einem Jahr nach einer WM und somit deutlich verkürzter Vorbereitung: Fehlanzeige
In München hatte man z.B. zur exakt gleichen Zeit im Herbst 2018 mit Kovac mehr Geduld, denn dessen Bilanz im November 2018 war mit 6-3-3 und 9 Punkten Rückstand auf die Spitze auch ziemlich schwach. Man ließ ihn trotzdem im Amt und es folgte das Double.
MIt Nagelsmann hatte Bayern mMn auch Geduld. Nachdem schon dessen erste Rückrunde mit noch voller Kapelle ziemlich schwach war (inklusive dem eher blamablen Aus gegen Villareal) startete auch das Jahr 2023 schwach. Wenn man mal die durchaus beeindruckenden Ergebnisse in den KO-Wettbewerben in der Saison 2022/23 ausblendet, stand da eine Bilanz von 19 Punkten in 11 Ligaspielen im Jahr 2023. Da war zumindest Benitez bei Real besser unterwegs und wurde trotzdem gefeuert. Ich finde, dass der Zustand der Bayernmannschaft im Frühjahr 2023 ziemlich schlecht war (Stichwort: Umgang mit Rückschlägen) und kann mir nicht vorstellen, dass es bei Real zum Zeitpunkt der Entlassungen von Benitez und Lopetegui viel schlechter um den Zustand des Teams bestellt gewesen sein kann.

3 „Gefällt mir“