Pffuuuuuhhh… das Spiel musste ich erst mal verarbeiten.
Schlussendlich komme ich zu dem Schluss, dass diese Niederlage das Beste ist, was dem FC Bayern passieren konnte. WENN er die richtigen Schlüsse daraus zieht.
Über das Spiel muss man nicht viel sagen, das meiste wurde schon erwähnt/ausgeführt. Mittelmässiges Pass- und Flankenspiel, mangelndes Tempo vor allem in der ersten Halbzeit, Ideenlosigkeit im Mittelfeld und so vieles mehr.
Die einzigen Spieler, die meines Erachtens eine dem Spiel angemessene Leistung gebracht haben, waren Coman und Upamecano, der Rest erinnerte fürchterlich an die Bayern der 90er Jahre.
Zudem befürchte ich, dass dieses Spiel (und dessen Hintergründe) die Causa Lewandowski beschleunigt und im Moment könnte ich es bei Lewandowski sogar verstehen, wenn er sich einen anderen Verein suchen würde.
Aber zurück zum Anfang, die Gründe und die Schlüsse, die man daraus ziehen sollte.
Vorab ist es ein grundlegendes Problem des Konglomerats DFB, DFL und des Deutschen „Vereinsfußball“ Modells. Fast überall in Europa hat man inzwischen verstanden, dass Fußball (wie jeder eigentlich jeder Leistungssport) Entertainment ist. Dementsprechend sind die Vermarktung, die finanziellen Rahmenbedingungen und die Übertragungsrechte gestaltet. Nur in Deutschland ist man immer noch der Meinung, das dieser Sport ein „Volkssport“ ist, der alles sein darf nur das nicht was er sowieso schon lange ist: Ein knallhartes Geschäft. Allein wenn man sich die Übertragungsrechte in Deutschland ansieht fängt jeder Engländer, Italiener oder Spanier an laut zu lachen. Der FCB hat mit dazu beigetragen, dieses System zu verfestigen, beschwert sich aber gleichzeitig über dessen Limitierungen. Und genau wegen dieser Limitierungen ist der Verlust des CL Viertelfinales viel dramatischer als man im Moment denkt. Denn nach 2 Jahren Corona wäre dies die Chance gewesen, zumindest finanziell ein bisschen Luft holen zu können. Das wird jetzt nicht geschehen und die Folgen werden uns nicht nächstes Jahr aber in den Jahren 24-27 so richtig auf die Füße fallen. Im Rest Europas sind die Fernsehgelder teilweise um den Faktor 20 höher und das wird der FCB nicht mehr ausgleichen können. Für mich ergeben sich daraus folgende Schlüsse (die natürlich der FCB nur bedingt beeinflussen kann).
1; Wegfall der 50+1 Regelung.
2; Verbot jeglicher Gesellschaftsformen deren Handeln durch das Aktienrecht beeinflusst wird.
3; Reduzierung der Liga auf 12 Mannschaften, Einführung eines Playoff Systems mit Hin- und Rückspiel (Lucky Punch System haben wir schon mit dem DFB Pokal)
4; Gleichmäßiges verteilen der Fernsehgelder unter den Mannschaften, zentrale Vermarktung unter einem Anbieter
5; Erhebliche Erhöhung der Übertragungsgelder unter gleichzeitiger Reduzierung der Eintrittskosten im Stadion.
6; Einführung eines Salary- und Budgetcap mit einer „Zwangsquote“ für Schüler- und Jugendeinrichtung.
Dazu kommen noch andere Sachen wir hauptberufliche Schiedsrichter, diverse Regeländerungen (Zeitstrafen, Schiedsrichterkontakt nur durch Spielführer (wie z.B. im Rugby) uvm.)
Das 2. Problemfeld hat leider 2 Namen und die sind Salihamidzic und Kahn.
Ich glaube wir hatten seit 20 Jahren keine so intransparente, farblose und bedauerlicherweise auch erfolglose (führe ich gleich aus) Führungsriege wie unter diesen 2 Herren. Gerade was das Transferverhalten angeht (natürlich nur das, welches man von außen beurteilen kann) geben beide ein extrem trauriges Bild ab.
Wenn ich an das Interview von Kahn auf Prime vor dem Spiel denke, wird mir immer noch schwummrig. Man stelle sich vor, da gibt es (wieder mal) richtig heftige Gerüchte zu einem der besten Stürmer der letzten drei Jahre und der Vorstandsvorsitzende bringt die immer gleichen leeren Worthülsen. Was hindert einen Kahn daran zu sagen, wir wollen mit Robert auf jeden Fall verlängern, es gibt noch 2 oder 3 Knackpunkte, die wir bis zum Ende der Saison ausräumen werden. Punkt. Statt dessen gibt es Geschwurbel von „Welcher Verein möchte nicht mit einem Stürmer verlänern (er traut sich nicht mal den Namen zu nennen) der 30 oder 40 Tore in einer Saison schiesst“. Zum einen sind es zwischen 40 und 50 Tore jedes Jahr, zum anderen würde ich mir als Lewandowski sagen…“Jubb, Barca oder ManU wollen das genau so…“. Klare Kante und Bekenntnis zum Spieler sehen für mich anders aus. Der andere Punkt sind die Transfers unter Brazo (die wichtigsten):
Sandro Wagner (13 Mio)
Alphonso Davies (10 Mio.)
Leon Goretzka (Ablösefrei)
Lucas Hernandez (80 Mio.)
Benjamin Pavard (35 Mio.)
Jan Fiete Arp (3 Mio.)
Michael Cuisance (12 Mio.)
Phillipe Coutinho (8,5 Mio (Leihe))
Ivan Perisic (5 Mio (Leihe))
Alvaro Odriozola (Ablösefreie Leihe)
Tanguy Nianzu (Ablösefrei)
Alexander Nübel (Ablösefrei)
Leroy Sane (50 Mio (unbestätigt))
Bouna Sarr (8 Mio.)
Eric Maxime Chupo-Moting (Ablösefrei)
Marc Roca (9 Mio.)
Douglas Costa (250.000 Leihe)
Tiego Dantas (??? Leihe)
Dayot Upamecano (42,5 Mio)
Marcel Sabitzer (15 Mio.)
Omar Richards (Ablösefrei)
Sven Ulreich (Ablösefrei)
Es geht dabei erst mal nicht so um das finanzielle sondern fragt euch einfach mal, welchen dieser Spieler ihr in einem CL Halbfinale in die Startelf stellen würdet. Ich komme auf 3 (4, wenn man daran denkt, das Chuopo dezidiert als Lewandowski Ersatz/Back Up geholt wurde). Sane, Davies, Upamecano. Jetzt hat natürlich der Brazo nicht alle Einkäufe allein zu verantworten (Sabitzer, Costa, Couthinho). Aber das sind die Zugänge seit 2018/19 (Süle, Rudy, Tolisso und Gnabry waren ja nicht auf seiner Baustelle gewachsen).
Gleichzeitig haben wir eine Transferbilanz (auch die natürlich nicht allen dem neuen Vorstand zuzurechnen von -363 Mio. € (Quelle: https://football-observatory.com/).
So, meine Firma hat in ihren besten Jahren um die 40. Mio € Umsatz gemacht, also gerade mal ein zwanzigstel des FCB und eines wäre ganz sicher… der „Geschäftsführer Salihamidzic“ würde sich intensiv seinen Hobbys widmen können, den für mich würde er nicht mehr arbeiten. Nicht nur, das die Einkäufe zum Großteil nicht annähernd das Qualitätspotential bieten, das für einen CL Verein notwendig ist, es fehlt auch jede Struktur.
Weg von den Spielern, hin zu den Trainern. Nach Pep hatten wir Carlo Ancelotti (1 Jahr), Willy Sagnol (Notlösung), Jupp Heynckes (Notlösung), Niko Kovac (2 Jahre), Hans Flick (2 Jahre) und jetzt Julian Nagelsmann. 7 Trainer in 7 Jahren. Kovac zu holen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt (ich weiß heute noch nicht, wie man auf die Idee kam, so ein Trainer könnte eine CL Mannschaft trainieren) und Flick gehen zu lassen war der größte Fehler der letzten 20 Jahre (naja…Klinsmann vielleicht noch). Ich mag den Nagelsmann, aber der hätte meiner Ansicht nach noch 3 oder 4 Jahre warten können, bis er sich wirklich bewiesen hat.
Und das Flick einen unglaublich guten Draht zur Mannschaft hatte ist wohl unbenommen. Mit Flick hätte man den Umbrauch nach der Ära Schweinsteiger/Lahm/Müller hinbekommen können, die Unterstützung der Fans wäre nach der unglaublichen Championsleague Saison dagewesen, allein der Mut hat gefehlt. Danach die Übergabe an Nagelsmann und der FCB würde anders dastehen als heute (nicht zwangsläufig erfolgreicher, jedoch strukturierter).
Schlussendlich das Transferverhalten. Was der Vorstand nicht versteht (oder verstehen will) ist, dass der FCB nicht mehr das Traumtransferziel zumindest auf nationaler Ebene ist. Dazu kommt natürlich auch die finanzielle Thematik wie unter 1 beschrieben und eine Perspektiv-/Ziellosigkeit, wie ich sie bei den Bayern seit den 1980´ern nicht mehr erlebt habe. Mia san mia ist zwar ein netter Marketingspruch, aber derzeit ist das mit 0 Inhalten gefüllt. Auch das trägt dazu bei, dass man derzeit eher Spielermaterial aus der 2. Reihe bekommt.
Mich erinnert das Duo Kahn/Salihamidzic bedauerlicherweise sehr an das Duo Watzke/Zorc. Und zu was das führt, sieht man beim BVB deutlich. Der gleiche Rumpelfußball wie bei den Bayern, in Europa kaum noch wettbewerbsfähig und für Topspieler maximal Sprungbrett, aber auf keinen Fall Heimat.
Die Lösung…?
1; So leid mir es tut, weil ich den Menschen Brazzo mag… aber er muss gehen.
2; Klare Vertragsgestaltung mit internem fixen Transferfenster (ala: Vertragsverhandlungen finden in der Zeit von/bis statt, frühestens 3 Jahre, spätestens 1 Jahr vor Vertragsende mit den üblichen Klauseln bei Verletzung blablabla. Vertragsverhandlungen müssen 6 Wochen vor beginn der jeweiligen Transferperiode beendet sein). Das würde auch ein bisschen mehr Waffengleichheit zwischen Spielern/Beratern und dem Verein wieder herstellen.
3; Mehr Investitionen in den Campus UND in die 2. Mannschaft. Wenn man sich die Qualität nicht leisten kann/will, muss sie aus den eigenen Reihen kommen.
Zum Schluss kommt noch der dritte Punkt, der jedoch reine Spekulation ist und nur auf meinem Bauchgefühl und auf dem, was ich auf dem Platz sehe fußt.
Und das sind drei Schlüsselpositionen, die sich der FC Bayern selbst „kaputt“ gemacht hat.
Position eins ist der beste Stürmer der Welt. Hört sich jetzt komisch an, den Robert Lewandowski ist quasi die Blaupause für einen Fußballprofi. Und damit erstickt er jeden Konkurrenzkampf. Ist ja auch logisch, wer will einen 50 Tore Stürmer nicht spielen lassen? Doch damit fehlt jeglicher Anreiz, das sich hinter Robert ein 2. Stürmer ranarbeitet. Chuopo ist gut, er macht seinen Job auch prima, aber wir haben gesehen, wie hilflos der FCB ist, wenn Lewandowski
a; nicht spielt
oder
b; einfach kaltgestellt wird (auch das gibt es).
Position 2 ist Joshua Kimmich. Seit der Klamotte um die Corona Impfung ist Kimmich nur noch ein Schatten seiner selbst. Null Führung im Mittelfeld und so weit ich das sehe, auch null Führungsanspruch/Unterstützung. Technisch immer noch ein sehr guter Spieler, aber gefühlt ist er nur noch ein Fremdkörper in der Mannschaft. Gerade die Kommunikation zwischen Müller und Kimmich findet eigentlich gar nicht mehr statt. Gortezka und Musiala sind beide nicht in der Lage, diese Position zu füllen.
Position 3 ist derzeit unbesetzt. Da stand früher Hummels. Oder Boateng. Oder Süle. Oder Alaba. Ein echter Abwehchef. Ich mochte weder Hummels noch Süle noch Boateng (fragt mich bitte nicht warum, ich weiss es selber nicht, ist genauso wie bei Michael Schumacher oder Sebastian Vettel) aber die Genannten waren Spieler, die dem gegnerischen Sturm einfach gesagt haben: Heute nicht kleiner Mann. Sowas haben wir einfach nicht mehr (umso desaströser sind die Transferentscheidungen des FCB in der Defensive).
Die Lösung tut weh…
1; Lewandowski verkaufen, solange man noch Geld für ihn bekommt, Alternativen wären z.B. Schick von Leverkusen oder Guoiri von Nizza. Alternative (die ich aus Fansicht gerne sehen würde, aber das hätte man schon bei Robben und Ribbery machen sollen): Gebt ihm einen Rentenvertrag. Lewandowski hat dem FCB soviel Geld eingebracht, da sollte das drin sein.
2; Kimmich verkaufen. Alternativen wären z.B. Tchouameni von Monaco oder Tonali von Inter
3; Antonio Rüdiger. Dazu Upamecano langsam hochziehen zusammen mit Hernandez, Pavard verkaufen.
Abschliessend… ich bin jetzt fast 52, hab mit 7 mein erstes Bayern Spiel gesehen, bin also schon ein Weilchen dabei. Und wenn ich im Moment an den FCB denke, dann habe ich ein saudummes Bauchgefühl. Und das nicht erst seit dem CL Spiel.
Aber vielleicht muss ich mich erst daran gewöhnen, dass es keinen Hoeneß und keinen Rummenigge mehr gibt. Doch bisher bin ich von der neuen Führung nicht wirklich überzeugt und gerade das Beispiel Dortmund zeigt, wie eine schwammige Führung einen schwammigen Verein erzeugt. Ich hoffe, das der Verein das Spiel als Schuss vor den Bug wahrnimmt und sich nicht wieder in leere Phrasen und gewohnte Routinen flüchtet. Der BVB, die ganze Bundesliga und auch Europa hat 2013 am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, wenn der FCB sich mit aller Kraft einem Ziel verschreibt. Ich denke, wir brauchen nach Corona und vielen kleinen Fehlern wieder eine ähnliche Kraftanstrengung.