Miasanrot-Chat: Wer steht gegen Paris im Tor?

Danke für Deine spannende Erläuterung, @Georg !

Mir war tatsächlich nicht klar, dass es offenbar DERMASSEN viel jahrelange Arbeit inklusive Sonderschichten bedeutet, den schwachen Fuss annährend genauso stark aufzutrainieren wie den schwächeren.

Und wie stellt sich die Situation dar, wenn man, wie es ja angeblich in der DDR der Fall war, talentierte Nachwuchshoffnungen schon von Kindesbeinen an systematisch auf „Beidfüssigkeit“ trainieren würde? Das sollte dann doch wesentlich leichter sein, als wenn ein 22jähriger Profi mal so langsam anfängt, in Sonderschichten seinen schwächeren Fuss zu stärken, oder?

Und wenn das so ist, warum werden in Deutschland die Kids dann nicht schon von der, sagen wir mal, D-Jugend an in jedem einzelnen Training an die Beidfüssigkeit herangeführt?

Nun könnte jemand kommen und sagen, warum denn so einen großen Aufwand für ein kleines und untergeordnetes Detail?

Aber hast nicht Du, @Georg, genau wie ich und die ganzen anderen Blogger hier, als Fussballfan schon hundertmal die Hände vor den Kopf geschlagen, wenn in einem wichtigen BL- oder CL-Spiel z.B. eine punktgenaue Flanke von rechts in den Strafraum geschlagen wird, die man als Stoßstürmer locker mit dem linken Fuss ins Tor schießen könnte?
Und wo selbst Weltklassestürmer diese Chance vertändeln, weil sie erst umständlich den Ball stoppen und eine halbe Körperdrehung vollführen müssen, um sich den Ball auf den starken rechten Fuss zu legen, aber dabei das „Momentum“ verpassen und die Riesenchance vertändeln?

Oder auch der Flankengeber selbst.
Früher lief ein klassischer Rechtsaußen wie unser Kalle del Haye damals immer eng an der rechten Außenlinie entlang fast bis zur Eckfahne, um dann punktgenau und technisch präzise mit seinem RECHTEN Fuss eine Musterflanke auf den Kopf unseres Mittelstürmers zu schlagen.

HEUTE hingegen sind ja sogar viele rechte Außenbahnspieler Linksfüsser (bzw. die linken Außenbahnspieler Rechtsfüsser), so dass sie solche „Kalle del Haye“-Flanken gar nicht mehr schießen können und erst mit dem „Robben-Move“ nach innen abdrehen müssen, um den Ball mit dem LINKEN Fuss in den Strafraum passen bzw. aufs Tor schießen zu können.

Mir tut sowas schon vom Zusehen her weh, weil es so ein UNPHYSIOLOGISCHER Bewegungsablauf ist. Einhändigkeit führt wie „Einfüssigkeit“ doch zu vielen asymmetrischen Tonus-Unterschieden in der gesamten Körpermuskulatur.
Ich z.B. bin extremer Rechtshänder (mit daraus resultierenden asymmetrischen Muskelverspannungen in Nacken, Rücken usw.).
Erst, seit ich mit vor ein paar Jahren angewöhnt habe, viele Dinge bewusst mit der linken Hand zu erledigen, statt mit der rechten, ist das besser geworden.

Wenn die meisten Profi-Fussballer „Einfüsser“ sind (also z.B. das rechte Bein SEHR viel besser schießt als das linke), dann führt das doch sicher zu einer sehr asymmetrischen Verletzungsanfälligkeit der Spieler. Nehmen wir mal an, mit dem rechten Bein schieße ich wesentlich besser als mit dem linken, und will das auch gar nicht groß durch Sonderschichten usw. ändern.

Dann bedeutet das in der Konsequenz doch, dass ich in Training und Spiel 90 % der harten Schüsse mit rechts abgebe. Und das zigtausendmal (!) in so einem Fussballer-Leben.

Das heisst dann doch, dass meine rechte Patellasehne, meine rechten Menisken, meine rechten Kreuzbänder, der Quadrizeps-Muskel am rechten Oberschenkel plus noch die ganzen Strukturen an Unterschenkel und Fuss NEUNMAL stärker und öfter beansprucht werden als die entsprechenden anatomischen Strukturen auf den Gegenseite meines linken, „schwachen“ Fusses.

Das führt dann dazu, dass mit Mitte 20 mein rechtes Knie im Arsch ist, während das linke Knie noch fast „jungfräulich“ aussieht, weil mit ihm fast nie hart geschossen wurde, sondern es meist nur als Standbein diente.

Von daher würde ich vermuten, dass Spieler mit zwei gleichstarken Füssen weniger verletzungsanfällig sind und z.B. ihre Knie erst Jahre später verschlissen sind, weil sich die Belastungen durch harte Schüsse ja gleichermaßen 50/50 auf BEIDE Beine verteilen.

Vermuten würde ich auch, das Beidfüsser „runder“ und mit weniger muskulären und Haltungsasymmetrien übers Spielfeld laufen als solche, die jede Spielsituation durch entsprechende Körperdrehungen so antizipieren müssen, dass ihnen der Ball auch vor den starken Fuss fällt und nicht vor den schwächeren.

Ich weiß aber nicht, ob diese Frage (ob Beidfüsser z.B. deutlich weniger Muskelverletzungen, Kreuzbandrisse usw. haben als Spieler, die fast alles nur mit rechts machen) schon mal untersucht worden ist.

Weiß da einer von Euch näheres?

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Oh Mann.
Du hast nie selber Fußball gespielt, oder?
Weil wenn dann wüsstest du, dass das Standbein bei Flanken und Schüssen nicht weniger, sondern nur anders belastet wird.
Ich habe keine Studie zur Hand, bin mir aber sicher, dass die Verletzungsanfälligkeit des „starken“ Fusses nicht höher ist, eher sogar umgekehrt und Beidfüsser nicht weniger verletzt sind.
Warum hat eigentlich die beidfüssige DDR im Fußball nichts gerissen?
Kann mich auch nicht erinnern, dass mir Spieler, die in der DDR ausgebildet wurden, mit ihrer Beidfüßigkeit aufgefallen wären

Ich kann nur mal ein bisschen über die Abläufe im Gehirn philosophieren: alles was sehr schnell und doch perfekt ablaufen soll, muss hunderte Male geübt und im Gehirn „fest verdrahtet“ sein, damit es letztendlich unterbewusst „von selbst“ läuft.

Vergleichen wir es mal mit einem Pianisten: der übt jahrelang, bis seine Finger völlig automatisch über die Tasten fliegen; erst dann kann er das Stück, das er gerade spielt, musikalisch perfekt gestalten. Das sind dann ständig beide Hände gefordert - insofern denke ich, dass es physiologisch keinen Grund gibt, das eine Hand (oder ein Fuß) irgendetwas grunsätzlich besser kann.

Beim Fußball gibt es einen zentralen Unterschied: im entscheidenden Moment (Pass oder Torschuss) haben die beiden Beine eine unterschiedliche Funktion: eines ist Standbein, das andere muss den Ball mit der benötigten Geschwindigkeit in genau die richtige Richtung befördern. Der ganze vorherige Bewegungsablauf ist aber darauf abgestimmt, ob du dann mit links oder rechts den Ball spielst. Wenn das für einen Fuß durch entsprechend viel Training automatisiert ist, kannst du - wie beim Klavierspiel - im Flow blitzschnell und ohne Nachdenken agieren. Wenn du es aber mit doppelt so viel Training auch noch für den zweiten Fuß perfektioniert hast, muss dein Gehirn im entscheidenden Moment die Entscheidung links oder rechts treffen - was vermutlich die entscheidenden Sekundenbruchteile kostet, die dem Gegner den Zugriff ermöglichen.

Wenn du nur auf einen Fuß optimeirt bist, bist du zwar im Prinzip ausrechenbar - aber so schnell und präzise, dass dein Gegenspieler trotzdem nicht zum Zuge kommt. Siehe Arien Robben - wirklich jeder kannte seinen „Move“; trotzdem hat er damit Zig Tore erzielt …

Insofern vermute ich, dass eine „volle“ Beidfüßigkeit keinen Vorteil bringt, sondern eher nachteilig ist, weil die nötige Entscheidung zwischen links und rechts zu viel Zeit kostet.
(ist aber natürlich nur meine Theorie, keine Ahnung , ob es dazu Untersuchungen gibt)

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Also das glaube ich nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass eine Beidfüssigkeit schon von relativ großem Vorteil ist.
Es mag vielleicht sein, dass ein Training hin zur Beidfüssigkeit die Entwicklung zu einer nicht zu verteidigenden Spezialfähigkeit behindert. Dass sich also Robben beispielsweise seinen Trademark-Move vielleicht nicht so gut hätte aneignen können, wäre in seinen jungen Jahren mehr Trainingszeit für den schwachen Fuss drauf gegangen. Who knows…
Aber wenn SpielerInnen erst mal beidfüssig sind, ist das auf jeden Fall ein echtes Pfund.
Einfach flanken, statt sich den Ball auf den anderen Fuss legen zu müssen.
Mit Ball auf den Verteidiger zulaufend beide Optionen zum Abschluss zu haben, links oder rechts vorlegen.
Selbst als Abwehr- oder MittelfeldspielerIn ergeben sich mehr Optionen, weil der Ball nicht nur gespielt werden kann, wenn er auf dem besseren Fuss liegt, sondern quasi mit jedem halben Schritt.

Hallo @gerhard,

Deine Überlegungen sind wirklich brillant, und es ist sicher viel Wahres daran.

Du bist übrigens die erste Person, die in diesem Zusammenhang die These aufstellt, dass „Beidfüssigkeit“ evt. sogar ein Nachteil sein könnte. Müsste man mal jemanden wie Andy Brehme fragen, ob er seine Beidfüssigkeit auch manchmal als Problem empfunden hat…

Auf den ersten Blick hat mich Deine These gewundert. Wenn Nagelsmann bzw. Salihamidzic zwei ansonsten gleichgute neue Verteidiger ODER Offensivspieler angeboten bekommen, von denen der eine ein ausgeprägter „Rechtsfüsser“ ist, der andere aber „Beidfüsser“, so würden sie sich doch mit Sicherheit für den Beidfüsser entscheiden, weil der vielseitiger verwendbar ist. Oder?

Trotzdem scheint mir Deine Behauptung nicht abwegig zu sein, denn das mit dem von Dir geschilderten „Ambivalenzkonflikt“ beim Torschuss, der die entscheidenden Sekunden kosten kann, leuchtet mir ein.

Dein Argument „zieht“ aber nur bei „Akutsituationen“, wo man beim Torschuß in Bruchteilen von Sekunden entscheiden muss, mit welchem Bein man den Ball annehmen und schießen muss.

Weniger plausibel finde ich (wie ja auch @AchWas in der Zwischenzeit geschrieben hat) Dein Argument hingegen bei NICHT so akuten Spielsituationen.

Wenn ich als Offensivspieler z.B. mit dem Ball am Fuss an der rechten Außenlinie nach vorne dribbele, wäre es doch unbestreitbar von Vorteil, wenn ich als beidfüssiger Spieler die freie WAHL habe, ob ich (wie Kalle del Haye) AUSSEN an dem gegnerischen Abwehrspieler vorbeiziehe und kurz vor der Eckfahne dann mit dem RECHTEN Fuss eine punktgenaue Flanke in den Strafraum abgebe, ODER ob ich à la „Robben-Move“ LINKS am Verteidiger vorbeiziehe und den Ball mit dem LINKEN Fuss weiter verarbeite.

Was Deine These betrifft, muss man wahrscheinlich zudem unterscheiden, ob der Spieler quasi von Geburt an immer schon beidfüssig war ODER ob er bis zur B-Jugend fast immer nur mit rechts geschossen hat und dann erst mühsam versucht hat, auch das linke Schussbein zu verbessern.

Nur im zweiten Fall könnte ich mir vorstellen, dass das Gehirn, wie von Dir beschrieben, wegen eines „Ambivalenzkonflikts“ blockiert ist und wertvolle Sekunden bis zur Entscheidungsfindung verstreichen lässt. Bei Spielern jedoch, die IMMER schon beidfüssig waren, kann ich mir nicht vorstellen, dass das Gehirn da durcheinander gerät…

Außerdem reden wir hier der Einfachheit halber natürlich nur von idealisierten Extremfällen, wenn wir Begriffe wie „Rechts-“ oder „Beidfüssigkeit“ verwenden. JEDER Bundesligaprofi ist natürlich in der Lage, einen Pass über 20-30 Meter auch mit dem schwächeren Fuss punktgenau zum Mitspieler zu bringen.
Wir reden hier nur über die dynamischen Spielsituationen wie Torschüsse oder Flanken unter Zeitdruck.

Und es wird natürlich alle möglichen Abstufungen geben: von Spielern, die in der Tat das schwächere Bein fast nur als Standbein benutzen, bis hin zu Spielern, deren schächerer Fuss 40, 55 oder 70 % so stark ist wie der bessere Fuss.
Ich bleibe aber dabei, dass es sicher wünschenswert wäre, wenn alle Profis ihr schwächeres Bein so auftrainieren würden, dass es ca. 80 % so gut ist wie das stärkere.

Ein Robben z.B. wäre sicher NOCH besser gewesen, wenn er auf der rechten Außenbahn nicht fast immer nach innen gezogen wäre, sondern auch außen am Abwehrspieler hätte vorbeidribbeln und dann mit dem rechten Fuss eine technisch einwandfreie Flanke in den Strafraum hätte schießen können, so wie einst Kalle del Haye.
Ich habe Robben sehr bewundert, aber trotzdem ist es mir unbegreiflich, dass solch ein Spitzenkönner so weit kommen konnte, ohne die „Kalle del Haye-Flanken“ zu beherrschen.

EIN Grund für Lewandowskis Frust in seinen letzten 1-2 Jahren bei uns war ja bekanntlich, dass er sehr viel seltener mit „Kalle del Haye-Flanken“ gefüttert wurde als noch vor 5-10 Jahren.
Natürlich ist auch mir bekannt, dass das Spiel sich zuletzt immer mehr in die Mitte verlagert hat und dass die Torausbeute nach dem Schema „Kalle del Haye-Flanke nebst Kopfballtor des Mittelstürmers“ längst nicht mehr so hoch ist wie in früheren Zeiten.

Trotzdem halte ich es für ein Ärgernis, dass heute rechte Außenbahnspieler oft Linksfüsser sind (und linke oft Rechtsfüsser) und kaum noch in der Lage sind, außen am Verteidiger vorbeizuziehen und mit dem rechten Fuss eine schöne „Kalle del Haye-Flanke“ abzuliefern.

Wie gesagt, ich habe ja nur ein wenig vor mich hin „laut gedacht“. Im Prinzip denke ich schon auch, dass ein schwacher Fuß bei einem Profi nicht drastisch gegen den starken abfallen sollte.
Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es bei totaler Gleichheit das von mir angesprochene Problem gibt, und somit das Optimum ein Stück darunter liegt.

Hallo @gerhard,

Ich bin genau Deiner Meinung.

Und so lange wir nicht wissen, was Sportmediziner, Sportwissenschaftler, Physios usw. für Erfahrungswerte zum Thema der Ein- bzw. Beidfüssigkeit haben, kommen wir nicht weiter.

Da ich sehr viel von der Osteopathie halte, ging es mir v.a. um das Problem, wie sich eine ASYMMETRIE in der Nutzung der beiden Beine (wenn bei einem Spieler z.B. in 80 % der Fälle das rechte Bein das „Schussbein“ und das linke das Standbein ist) auf die Statik des Gesamtkörpers auswirkt.

Und ich bleibe dabei, dass es für die anatomischen Strukturen insbesondere in den Knien und drumherum gesundheitlich doch sicher viel besser ist, wenn sich Schuss- und Standbein annähernd zu gleichen Teilen abwechseln. Leider sind mir jedoch keine Daten bekannt, ob z.B. Meniskusschäden, Kreuzbandrisse, Patellarsehnenreizungen usw. bei Beidfüssern seltener sind.

Das mit der Asymmetrie habe ich mir in etwa so gedacht, wie wenn ein Getränkelieferant die schweren Bier- und Mineralwasserkästen zu 80 % immer mit dem starken rechten Arm die Treppen hochschleppt und im linken Arm nur leichte Tüten mit Packungen von Tiefkühlgerichten udgl. trägt.

Solch ein Mann würde sicher schon nach ein paar Wochen Haltungsschäden bekommen (weil asymmetrisches Lastentragen eben total unphysiologisch ist), die sich durch den gesamten Rumpf ziehen. Der Körper wird z.B. einen kompensatorischen Beckenschiefstand entwickeln, weil der Organismus bestrebt ist, irgendwie die Statik aufrechtzuerhalten. Auch werden die rechte Schulter- und Armmuskulatur hypertrophieren, während die linke sich nicht verstärkt.

Deswegen wird jeder vernünftige Lieferbote bald anfangen, die zu tragenden Lasten möglichst immer auf beide Arme gleichermaßen zu verteilen.

Natürlich sind die Bedingungen und Bewegungsabläufe beim Fussball komplexer (wie z.B. das sekundenschnelle Zusammenspiel zwischen Schuss- und Standbein), aber vom Prinzip her müsste krasse „Einfüssigkeit“ auch hier zu Asymmetrien und Haltungsschäden im ganzen Körper führen, so dass daraus resultierende Muskelverletzungen (die ja heutzutage fast das Hauptproblem bei Fussballern darstellen) auch an ganz anderen Stellen, wie z.B. der linken Schulter, auftreten können.

So wie der Getränkekästenschlepper, der mit dem rechten Arm viel größere Gewichte trägt als mit dem linken, dadurch z.B. Kreuzschmerzen kriegen kann.

Daniel dürfte nun aus der Verlosung sein. Georg der Favorit, Maurice mit Außenseiterchancen.

Navas wechselt zu Nottingham. Wechselwillig wäre er also gewesen.