Kürzlich wurde die an sich schon seit langem bekannte Biografie Bert Trautmanns einer größeren und jüngeren Öffentlichkeit noch einmal in einem Biopic und der dazugehörigen Doku nahegebracht, mit eindrucksvollen Einzelheiten, die auch für mich neu waren. Ähnlich wie bei ihm spielte bei Fritz Walter, dem späteren Spielmacher und Kapitän der Berner Weltmeisterelf, der Fußball eine entscheidende Rolle bei einer biografischen Wende: beider Fähigkeiten fielen in der Kriegsgefangenschaft auf und brachten die Dinge ins Rollen.
So hoch hinaus will ich mit diesem Thema nicht unbedingt; im Zweifel ist hier auch nicht ganz so viel fußballerisches Talent versammelt (wobei das für das Thema keine Rolle spielt). Und die Zeitläufte sind, wenngleich gerade aktuell für viele Menschen wirklich schlimm, so doch nicht in vergleichbarem Maße allumfassend katastrophal. Aber beim Lesen der vielen netten Geschichten in der Vorstellungsrunde dachte ich: „Da gibt es bei einigen bestimmt noch mehr und für ihr Leben Bedeutsames. Vielleicht mag ja der oder die eine oder andere davon erzählen.“
Denn natürlich ist Fußball für viele, die sich damit intensiver befassen, mehr als pure Unterhaltung oder eine nicht enden wollende Abfolge von Erfolgserlebnissen, gelegentlich unterbrochen von Enttäuschungen (FC Bayern) oder umgekehrt (z.B. Schalke, HSV). Um nicht den Eindruck zu erwecken, Euch ohne Gegenleistung interessante Geschichten entlocken zu wollen, hier eine positive Erfahrung, die ich gemacht habe.
Im Frühjahr 2006 war meine Frau nach schwerer Krankheit gestorben. Im Beruf hatte ich seit Jahresbeginn eine neue Aufgabe übernommen, die ich erstmal von Grund auf strukturieren musste und für die ich nur auf wenige Routinen zurückgreifen konnte. Das Privatleben war in dieser Situation, auch wenn ich einige Unterstützung erfuhr, in erster Linie dadurch geprägt, dass ich unseren intellektuell gehandicapten, damals 15jährigen Sohn, den wir im Säuglingsalter angenommen hatten, nun alleine zu versorgen hatte. Ich kam allerdings ganz gut zurecht, hing trotz andauernder Trauerphase nicht in den Seilen; der Fußball war und ist andererseits nicht eben meine zentrale Kraftquelle.
Dann kam die WM, später als Sommermärchen bekannt und noch später wegen dubioser Zahlungen rund um die Vergabe skandalbehaftet. Von Vorfreude bei mir keine Spur. Am Freitag, den 9. Juni kurz vor 18 h setzte ich mich dennoch mangels besserer Alternativen vor den Fernseher. Nach sechs Minuten fabrizierte Philipp Lahm ein Traumtor, und damit begann für einen Monat eine wilde Fahrt, die nicht nur fußballerisch, sondern mit so vielen „Nebenaspekten“ einfach nur gute Laune machte. Ich erinnere z.B. noch die Berichte aus dem niedersächsischen Celle, wo das Team Angolas Quartier bezogen hatte und so überaus freundschaftlich aufgenommen wurde. 50.000 Autogrammkarten hatte man für sie drucken lassen, aber die Spieler wussten nicht, wofür sie gedacht waren, und wollten sie alle behalten.
Insgesamt herrschte überall eine Stimmung, die von Leichtigkeit und Freude geprägt war. Ich habe das nie irgendjemandem gegenüber erwähnt, denn ich fand es ein bisschen peinlich (weil oberflächlich), aber: es hat mir echt etwas gegeben. Manches Gegröle im öffentlichen Raum war verzichtbar, aber es fiel kaum ins Gewicht. Der spätere Ärger (s.o.): in diesem Zusammenhang irrelevant. Eine Zeitlang ein durchaus nachwirkender Stimmungsaufheller.
Ich weiß, das ist jetzt nichts Spektakuläres, aber darauf kommt es mir nicht an. Ich bin gespannt, ob hier vielleicht irgendwann einige ähnliche oder auch ganz anders geartete Geschichten zu lesen sein werden. Das fände ich toll. Wenn das nicht passiert, macht es aber auch nichts. Ich stoße hier ja keine Diskussion an, die dann im ungünstigen Fall nicht zustande kommt, sondern möchte nur einen Rahmen anbieten für womöglich Mitteilenswertes zum Zusammenhang von Fußball und persönlicher Biografie. Selbstverständlich völlig freilassend.