Über den Zweifel im Glauben (stark offtopic, aber schwere Zeiten erfordern schwere Geschütze!) - und ein Lob des Zweifels.
„Wenn Zweifel Herzens Nachbar wird, die Seele sich in Leid verirrt“, dichtete der fränkische Ritter Wolfram von Eschenbach Ende des 12. Jahrhunderts.
„Wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und bewegt wird.“ (Jakobus 1, 6)
Aber auch die Größten in der Bibel hatten bisweilen ihre Zweifel „am Leben, am Universum und dem ganzen Rest“ (Adams, III von V).
Der große König David, als DIchter und Lyriker quasi ein Vorgänger von Eschenbachs 2000 Jahre zuvor, schreit seinen Glaubenszweifel in Psalm 22 heraus:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe …“
Selbst der unerschütterliche Glaube seines Ur-(Urururur)Enkels Jesus von Nazareth kam nach ungefähr sechs Stunden am Kreuz an seine Grenzen: „Um die neunte Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46 und Markus 15,34)
Während in der Katholischen Kirche zumeist ein unerschütterlicher Glaube als Ideal hochgehalten wird, haben die meisten Protagonist:innen damit so ihre Probleme.
Mutter Theresa zum Beispiel lebte mehr als 50 Jahre lang fast ununterbrochen mit großen Glaubenszweifeln. Sie litt unter einer Abwesenheitserfahrung Gottes. Trotzdem trat sie nicht aus ihrem Orden aus, sondern lernte offenbar, in dieser Spannung zu leben und die Zweifel in ihren Glauben zu integrieren.
Und das Sinnbild des „Kleingläubigen“, der ungläubige Thomas, wird in der modernen Theologie mitnichten als der große Zweifler gesehen, im Gegenteil. Professorin Veronika Hoffmann, Dogmatikerin an der Universität Fribourg in der Schweiz beschreibt den Jünger Jesu wie folgt: „Thomas zweifelt weder an Gott, das ist damals sowieso schwer vorstellbar, noch zweifelte an der Auferstehung Jesu. Das kommt in Osterpredigten gerne vor. Das ist aber nicht wahr. Für Thomas ist die Auferstehung Jesu selbst vermutlich kein allzu großes Problem. Viele Juden der damaligen Zeit haben an die Auferstehung geglaubt. Das Problem ist, wenn schon, dass Jesus JETZT aufersteht. Aber man muss diesen Thomas vor allem als eine literarische Figur lesen. Eine literarische Figur, die der Evangelist benutzt, um die Gemeinde der zweiten Generation zu bezeichnen. Also diejenigen, die Jesus nicht mehr persönlich gekannt haben. Die werden in diesem Thomas symbolisiert.“
Und die berühmte Bibelstelle über Thomas Zweifel an der Auferstehung Jesu (Johannes 20, Verse 24-29) kommentiert Hoffmann wie folgt: „Der Satz ist ja auch sehr viel missbraucht worden, nach dem Motto: Frag nicht so blöd, glaub einfach, wenn man es dir doch sagt. Aber gemeint ist eben genau das: Selig sind die, die trotzdem zum Glauben finden können, und zwar zu einem eigenen, auch wenn sie nicht irgendwie mit dem irdischen Jesus unterwegs waren.“
Schönes Schlußwort: Selig sind, die trotzdem zum Glauben finden.
Per aspera ad astra.
Aspera war gestern - gegen Benfica.
I’ll be back, guys.