Ich habe mir vor einigen Wochen auf YT ein längeres Interview mit Ilko-Sascha Kowalczuk angeschaut, einem in der DDR aufgewachsenen, als junger Mann an der Wende beteiligten Historiker, im ersten Beruf ist er Maurer gewesen.
Seine Thesen zur politischen Situation in den ostdeutschen Bundesländern, knapp zusammengefasst: die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft inklusive der politischen Klasse habe irrtümlich den friedlichen Wandel als Glanzleistung annähernd der gesamten DDR-Gesellschaft gefeiert. Revolutionen seien aber immer Aufstände einer Minderheit gegen ein herrschende Minderheit, während die große Masse abwarte, auf welche Seite sich die Macht neige. So auch hier. Mauerfall, D-Mark, deutsche Einheit seien von den meisten nicht mit eigenem Engagement errungen worden, sondern ein Geschenk gewesen, wogegen zunächst nichts einzuwenden sei. Allerdings würden Geschenke i.d.R. nicht sonderlich wertgeschätzt; unter anderem auch daher habe die Begeisterung über die neugewonnene Freiheit schnell abgenommen. Zwar wäre die sowjetische Besatzungsmacht nicht sonderlich beliebt gewesen, viel stärker aber als jene Aversion sei diejenige gegen die USA und den Westen insgesamt.