Das "Wir" im Fussball!

Wie steht ihr denn so zum „wir“ im Fußball? Und dabei meine ich die sprachliche Darstellung, wenn ihr über den FCB redet/schreibt. Wenn der FC Bayern gewinnt, sagt ihr dann „Wir haben gewonnen!“, oder vielleicht sogar „Ich habe gewonnen!“?

Hier im Forum sehe ich sogar Leute, die bei Transfers von „wir“ schreiben. Das ist in meinem Sprachgefühl noch eine Ebene drüber. „Wenn wir XY verkaufen, machen wir Gewinn, schreiben wir das ab“ etc. Was denkt ihr dabei?

Disclaimer: soll sich bitte keiner persönlich angegriffen fühlen, macht bitte, wie ihr wollt. Ich frage mich nur, ob ich der einzige bin, den sowas rein sprachlich irritiert. Ich mach jedenfalls keinen Gewinn, wenn XY verkauft wird, mein Beitrag zu den Siegen des FCB ist auch vernachlässigbar, trotz Jahreskarte und Mitgliedschaft und dem üblichen Kram, und meine Transferempfehlungen interessieren skandalöserweise an der Säbener auch niemanden. Daher sag ich schon im sportlichen Bereich selten „wir“, und im geschäftlichen Bereich schon gar nicht.

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Häufig gesagte Sätze in meinem Wohnzimmer im Jahr 2023:
„Mein Gott sind wir schlecht“
„Wir sind so blöd“
„Wir schenken den Dortmundern die Meisterschaft“

Also beim Spiel bin ich bei Team „wir“.

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Meiner Meinung nach vermengen sich hier die rationalen Ebenen ( der FC Bayern München als Betrieb) mit den emotionalen (ich als Teil des großen Vereins, der Geschichte und der Zukunft).

Insbesondere weil ein öffentliches Bekenntnis zum FC Bayern oft zu Gegenwind, Anfeindungen und sogar dem Entsagen der Menschenwürde führ(t)en kann, verstärkt sich das Zugehörigkeitsgefühl.
Man(n) rückt zusammen, leidet gemeinsam in Niederlagen und erträgt den Spott und feiert (un-)erwartete Siege dafür umso euphorischer - und manchmal auch arrogant und überheblich -

Wenn ich zu Auswärtsspielen fahre, erlebe ich das WIR auf jedenfall in jedem Stadion auf der Welt.

Deshalb fühle ich mich auf jeden Fall als Teil der Bayern(Fan-) Familie auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was der/die Familienanführer „verzapfen“. Dafür steht für mich auch Mia san Mia

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Wie geht man mit Aussagen bzgl. Deutschland (egal ob im Sport oder in der Politik) um, wenn es heißt: „Da haben WIR uns von UNSERER besten Seite präsentiert“ bzw. „Da haben WIR UNS aber mal wieder sauber blamiert.“
Auch hier sind es ja oft nur kleine Teile der Gesamtbevölkerung, die für das jeweilige Ergebnis sorgten und gerade bei den Politikern dürfte unser Einfluss auf ihre Entscheidungen auch relativ gering sein. (wahrscheinlich ähnlich groß, wie wenn Gnabry in Köln Handball spielt oder Musiala in letzter Minute ein Geniestreich gelingt).
Anders als unsereren Lieblingsverein haben wir die Politiker, die für ihre Handlungen gelobt oder kritisiert werden, teilweise nicht einmal selbst gewählt.
Wegen der bewussten Wahl eines Vereins bzw. der bewussten Entscheidung dafür, Fan eines Vereins zu sein und nicht nur neutraler Beobachter einer Sportart, ist mMn die Verbundenheit so groß, dass man sich als Teil des Ganzen sehen kann, auch wenn man nur ein verdammt kleines Rädchen ist.

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Gute Frage. Ich habe auch eine Weile darüber nachgedacht, wie ich es handhaben sollte. Letztlich habe ich für mich entschieden, von ‚wir‘ und ‚uns‘ zu sprechen („Ich wünsche mir einen Sportdirektor, der zu uns passt.“, „Wäre wirklich schade, wenn wir Cancelo nicht fest verpflichten könnten.“).

Da ich mich öfter mal dabei ertappe, genau ‚wir‘ und ‚uns‘ zu denken, fände ich es unbequem, da immer drum herum zu formulieren. Aber ich verstehe Dein Unbehagen in der Frage und bin auch bei Dir (wenn ich Dich richtig verstehe), dass dieses Gemeinmachen mit der Mannschaft oder den handelnden Personen des Vereins eine Anmaßung ist - zumindest wenn man (so wie ich) nicht mal Mitglied des Vereins ist.

Normalerweise verachte ich Bequemlichkeit als Auslöser für Handeln, das den eigenen Überzeugungen (oder sagen wir Erkenntnissen) entgegensteht. Aber da es in so vielen Fragen des täglichen Lebens anstrengend und eben unbequem ist, das Richtige zu tun (weil die vorgegebenen Pfade für mich sehr oft nicht die Richtigen sind), erlaube ich mir hier beim lockeren Plausch über Fussball und ‚unseren‘ Verein in der Hinsicht mal alle Fünfe gerade sein zu lassen.

Mir ist auch klar, dass es für die Anmaßung das Formulieren gar nicht braucht, und dass das Gemeinmachen im Denken schon reicht. Da kann ich nur die Hände heben und mich ergeben. Ich weiss selber nicht, was der Fussball, der Verein und einzelne Spieler da mit mir machen! Schon einige male habe ich mir vorgenommen, mich emotional vom Profifussball zu entfernen, einfach weil ich es manchmal nicht schaffe, diesen Irrsinn auszublenden, der dieses Geschäft geworden ist. Alleine, auch davon loszukommen schaffe ich nicht. Zumindest bisher nicht.
Vor einer Dekade dachte ich ‚die spielen gerade so unfassbar gut, da will ich keine Minute verpassen‘. Seit ca. 2018 hätte es nun sicher die ein oder andere Chance zum Ausstieg gegeben. Aber irgendwas ist ja immer. Ob Müller, Lewandowski, Thiago, Neuer, Kimmich - es ist jedenfalls nicht einfach.
Mal sehen ob die Saudis oder eine SuperLeague oder Ablösen von 500 Mio. etwas ausrichten werden. Stand jetzt möchte ich auf jeden Fall noch die Karriere von Musiala aktiv verfolgen :slight_smile:. Und dann mal schauen.

Worauf ich hinaus will: genau so wie ich nicht genau sagen kann, warum der FCBayern und seine Spieler mich in der Fan-Werdung damals so gepackt haben, so weiss ich auch nicht, warum ich ‚wir‘ denke, wenn Müller nach einem schönen Pass von Kimmich ein Tor schiesst.

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Ich halte es erst mal prinzipiell mit @Wohlfarth : es geht für mich vor allem um das Team und das Spiel an sich, und da habe ich mit einem „wir“ überhaupt kein Problem, da leide ich persönlich mit und freue mich auch mit. Egal ob in der Kurve oder vom Sofa aus.

Was die Vereinsführung angeht - das ist für mich eine andere Frage. Generell soll es aber jeder so halten, wie er will.

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Gerade halb- bis nichtswissende NICHT-Fußballfans fragen mich manchmal abfällig, warum ich von „wir“ spreche, über die Bayern, da ich doch garnicht mitgespielt hätte.
Denen entgegne ich dann gerne, dass ich Vereinsmitglied bin. Also kann ich von „meinem“ Verein und „uns“ sprechen.
Allgemein ist das eine Diskussion die aus meiner Sicht so überflüssig ist wie viele andere auch und sicherlich dem beginnenden Sommerloch geschuldet - nichts persönliches, @anon2519908 !
Ihr könnt gerne über alles diskutieren, weil ich es halte wie @Lukenwolf1970 : jeder soll einfach machen und tun, wie oder was er will…

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Für mich persönlich ist es im Empfinden schon ein großer Unterschied und nicht egal ob ‚Sport oder Politik‘.
Im Sport (bzw. eigentlich nur beim Fussball, insbesondere dem FCB und der Herren-Nationalmannschaft) fühle ich oftmals mit wenn von Blamage die Rede ist, aber in der Politik überhaupt nicht, egal ob ich die jeweiligen Politiker gewählt habe oder nicht. Dort sind einfach bei allem so viele verschiedene Interessen ineinander verwickelt, dass es noch nicht mal eine Blamage sein muss, nur weil irgendwo von einer die Rede ist, geschweige denn eine Blamage von ‚uns‘ allen.

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Ich bin auch deutlich im Team „wir“, und zwar nicht nur, weil ich Mitglied bin.

Ich finde das übrigens eine hochinteressante und nicht nur akademische Frage, die du da stellst. Geht, wenn man’s ausdiskutiert, fast ins Philosophische. Es haben sich ja schon einige Gedanken gemacht, wieso zum Geier Fans Glücksgefühle haben, wenn „ihr“ Team einen Sieg landet. Die Kollegen haben alle schon zutreffende und kluge Sachen gesagt, denen ich mich anschließe.
Ich würde noch einen zusätzlichen Punkt anbringen:
Wenn ich nicht von „wir“ sprechen würde, macht mich das ja fast konsequent zum „ich“ (Mann, das war jetzt sprachlich sehr holprig, fürchte- ich.)
Was mir am „wir“ gefällt, ist, dass man damit irgendwie Flagge zeigt. Den Mut, sich zu einer Gemeinschaft, einem Geschmack zu bekennen. Und gleichzeitig zeigt es Engagement und Leidenschaft für etwas, dass eben mehr ist als nur ich selbst. Mit mir alleine würde ich mich sehr oft langweilen, deswegen bin ich immer auf der Suche nach einem größeren Kontext, nach Kommunikation, nach Gemeinschaftsgefühl. Würde ich immer von mir (also dem „ich“) sprechen, hätte ich auch deutlich weniger Hemmungen, andere Menschen verbal an die Wand zu nageln. Kritik, objektive zumal, ist natürlich immer drin, aber mir erschiene es irgendwie nicht korrekt, „ich“ zu sagen, wenn dieser Teamsport und speziell dieser Klub mir nicht schon so viele leidenschaftliche Stunden geschenkt hätte…
Und mal ehrlich, ihr kennt das doch auch, wenn man vor dem Fernseher oder im Stadium sitzt und ein Live-Spiel anschaut und das ganz bestimmte Gefühl hat, dass die eigene Anwesenheit aber ganz unbedingt Einfluss auf das Ergebnis hat, nicht wahr?

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Ich bin sonst auch mit dem „wir“ im Fußbalkontext vorsichtig, aber wo solll ich es sonst verwenden, wenn nicht in diesem Forum? Wo die Leidenschaft für die Bayern das ist, was uns verbindet?

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Grandioser Kommentar - nur um den Gedanken weiterzuspinnen:

Natürlich ist ein Fußballspiel immer ein kollektives Erlebnis. Ohne dieses gäbe es keine Ultras, keine Kurve und auch keine Haupttribüne.

Für mich ist ein Fußballspiel vergleichbar mit einem Rockkonzert: als Einzelner vor der Bühne kannst du herumhampeln wie du willst, es bringt nichts. In der Menge wird es eine gewaltige Macht: man schaue sich ACDC „Live at River Plate“ an, das ist Massenextase pur.

Genau das gibt einem Fußballfan das „Wir“ - Gefühl. Selbst wenn man auf dem berühmten Sofa sitzt. Und ja: Massenexstase ist nicht immer gut - beim Fußball hat das aber auch etwas befreiendes. Dieses „wir“ im Sinne einer positiven Energie finde ich ausgesprochen guttuend.

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Danke für die ganzen, klugen, interessanten Beiträge!
Ich für mich würde drei Ebenen trennen, glaube ich.

Das ist zum einen das Kollektiv-Erlebnis im Stadion, vergleichbar mit einem Konzert. Da kann ich sehr gut nachvollziehen, dass man das in diesem emotionalisierten Zustand als „Wir“ erlebt. Tu ich auch.

Dann aber zum anderen die eher sachliche Art einer Diskussion zB in einem Forum. Da sitzt man zuhause, bewertet das Spiel, und formuliert dann „hinten standen wir nicht gut“ oder „war super, dass wir den Gegner so hoch gepresst haben“. Das würde ich, glaube ich, nicht tun.

Aber die dritte Ebene ist es, die für mich die am wenigsten nachvollziehbare ist: wenn die Finanzen des FCB mit einem „wir“ verbunden werden, als ob man selbst den neuen Spieler bezahlen müsste, oder als ob die Ablösesumme einem Geld ins Portemonnaie spülen würde. Ich glaube, ich würde im Gespräch vielleicht mal „wäre super, wenn wir den kaufen“ sagen, aber schreiben würde ich eher anders.

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Was wäre denn, wenn man sagen würde, dass ein „wir“ aufgrund persönlicher Grundwerte mit Blick auf einen extremen Hochleistungssport, der auf der einen Seite Teenies aussortiert und ohne Unterstützung dem Arbeitsmarkt überlässt, um auf der anderen Seite ondulierte und tätowierte Millionäre zu produzieren, keine persönliche Option ist?

Ich verwende das Wort „wir“ in meinen Posts zwar immer mal wieder, weil es für mich gar keine Option neben „unserem“ FCB gibt.

Für mich ist ein Verein insgesamt aber ein abstraktes Gebilde, gleichsam eine Marke, die auf großen Emotionen basiert. Wenn mich also am Verein über Jahre hinweg keine Menschen mehr fesseln, entfremde ich mich naturgemäß. Als Ersatz für Familie, Religion, Heimat etcetc habe ich Fußball nie gesehen. Werde ich jetzt gemeldet? :wink:

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Das ist bei mir auch so. Ich glaube, das hängt auch immer mit der Sozialisation zusammen. Die meisten von uns werden/wurden ja als Kids angefixt, da abstrahiert man naturgemäß weniger. Wobei ich heute immer mehr beobachte, dass die Jüngeren sich weniger in einen Klub „verlieben“, sondern eher an einzelne Spieler binden. Finde ich persönlich befremdlich, weil es den Sinn dieses Mannschaftssports irgendwie konterkariert, aber ist halt unsere Zeit. Also, auch in diesem Sinne bin ich im „wir“-Team…

Bei mir war das ganz schlicht:
Ich hab mich in Fußball verliebt und dann geschaut, wo der tollste Fußball gespielt wird. Und da der Blick als Kind nicht ganz soweit reicht, war ich als gebürtiger Münchner in der glücklichen Situation, mit MaierBeckenbauerMüller für alle Zeiten verloren zu sein. Aber ich war nie einer, der den Klub irgendwie als Ersatz-Struktur sehen musste, mir ging’s immer hauptsächlich um den Sport. Deswegen kann ich auch mit den Auswüchsen des Profi-Bereichs, die @Mehmet68 erwähnt, soweit leben.
Auch das Beispiel von @Lukenwolf1970 mit der Musik finde ich passend, wobei da sogar noch der kompetitive Teil normalerweise wegfällt: es muss gar keinen Verlierer geben. Aber dieses Gefühl, das man unter Fans erlebt, diese positive Energie und Leidenschaft - es fühlt sich einfach lebendig an.

Selbstverfreilich gibt’s da keine Blaupausen, kein Muss in diese oder jene Richtung, das muss jeder selber rausfinden, wie er’s handhabt. @anon2519908’s Beispiel mit den Finanzen finde ich auch mehr als nachvollziehbar, bei einem solchen Thema ist auch bei mir der Grad der Identifikation sehr gedimmt…
Summa summarum: sobald die Jungs auf dem Platz stehen, mit rotweiße Driigoooh…, sage ich: „wir“ stehen auf dem Platz. :wink:

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Das ist echt eine richtig coole Frage.

Bei ‚meinem‘ Verein, im dem ich auch Mitglied bin, spreche ich fast immer von ‚Wir‘ und fühle mich auch irgendwie als Teil etwas größerem. Aber nur im sportlichen. Bei Transfers oder der Führung sage ich auch immer ‚die Vereinsführung‘ oder ‚der Verein‘ (obwohl ich damit aber zB die AG oder auch die Führung meine).

Aber als ich jünger war, gab es dieses ‚Wir‘ auch bei der Nationalmannschaft. Mittlerweile ist das aber komplett weg. Das ist die DFB Elf, und sogar ‚unsere‘ Spieler sind mir da gleichgültig. Nur Sorge vor Verletzungen sorgt für Interesse.

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Ich habe mir eigentlich erst hier das „wir“ angewöhnt, und gebrauche es sonst in Gesprächen mit einschlägiger Thematik z.B. Freunden oder Kollegen gegenüber überhaupt nicht. Mir ist aber auch schon vor etlichen Jahren aufgefallen, dass viele Angehörige anderer Nationen (beruflich bedingt ergeben sich für mich da sehr viele Kontakte) das „wir“ im Hinblick auf ihre Nationalmannschaften sehr viel selbstverständlicher benutzten, als ich das eigentlich von meinem deutschen Bekanntenkreis her gewohnt war und selbst auch so hielt. Ein Einschnitt stellte da meiner Meinung nach die Heim-WM 2006 dar. Auch in den einschlägigen Foren im Guardian ist die Verwendung des „we“ in Bezug auf das Team, als dessen Anhänger man sich zu erkennen gibt, eher die Norm als die Ausnahme.

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Eine wirklich gute Frage - und viele tolle Beiträge. Die einzige Gemeinschaft, bei der ein „Wir“ mir ohne irgendwelche relativierende Brechungen - aber nicht immer ohne schmerzhafte Empfindungen - über die Lippen oder in die Tastatur geht, ist bei einigem Nachdenken die Menschheit insgesamt. Dann gibt es ad-hoc-Gemeinschaften im sportlichen oder spielerischen Wettkampf, in denen man selbstverständlich von einem „Wir“ spricht, das sich genauso schnell wieder auflöst, wie es sich gebildet hat. Im Beruf stand ich einer Funktionseinheit vor, die sich an anderen messen lassen musste: auch da sagte ich „wir“.

Da ich weder Partei- noch Vereinsmitglied bin, liegt mir das „Wir“ in der Rolle des Beobachters recht fern, da ich doch auch überhaupt nicht (mit-)verantwortlich fürs Gelingen bin. Im Sport noch weniger als in der Politik, in der Untätigkeit genauso wirksam sein kann wie aktives Handeln; das ist dann eher der Menschheitsaspekt. Fußball zu konsumieren ist für mich vor allem - mehr oder weniger gute - Unterhaltung. Da liegt für mich ein „Wir“ erstmal überhaupt nicht nahe. In jungen Jahren wurde ich das, was man als Bayern-Fan bezeichnen könnte in offener oder stillschweigender Abgrenzung von einer Umgebung, die entweder Fußball ablehnte oder zumindest komplett unbeachtlich fand (Familie), oder für den FC Bayern nicht die geringste Sympathie empfand (Kumpels); im hohen Norden ja nichts Ungewöhnliches. Da war es schon eine gewisse Herausforderung, zu der eigenen Vorliebe zu stehen und z.B. die anderen mit optimistischen Prognosen zu nerven, die zunächst höhnisch, nach ihrem Eintreffen dann frustriert kommentiert wurden. Wohlgemerkt zu einer Zeit, in der all die tollen Erfolge noch weitestgehend Zukunftsmusik waren - und der Arroganzvorwurf, zu großen Teilen Beckenbauers nonchalanter Spielweise geschuldet, dennoch bereits im Raum stand. Wozu darüber hinaus noch von „Wir“ sprechen? Das wäre unnötig provokant gewesen.

Schon lange bin ich, wie schon gelegentlich angemerkt, im engeren Sinne kein Fan mehr, sondern betrachte das Geschehen mit allerdings im Falle des FCB grundsätzlich wohlwollender, zugleich auch kritischer Distanz. Ausschließlich hier verwende ich in diesem Zusammenhang manchmal das Wort „wir“, um bei aller offenkundigen Distanziertheit den wohlwollenden Aspekt herauszustellen, der es rechtfertigt, zumindest situativ Zugehörigkeit nicht nur zu behaupten, sondern wirklich zu fühlen. Etwa wenn ich am Ende der abgelaufenen BL-Saison zwar auch Mitgefühl mit dem BVB empfinden kann (ich weiß, das ist jetzt hart für Euch :wink:), sondern mich ungeachtet aller berechtigten Kritik an allem Möglichen vor allem über den glücklichen Ausgang und Musialas herrliches Last-Minute-Tor freue. Selbstverständlich verliere ich darüber außerhalb von MSR kein Wort, denn wenn auch mein persönliches Umfeld natürlich nicht mehr dasselbe wie früher ist, so gibt es doch eine Konstante: die einen lehnen Fußball komplett ab, die anderen zumindest den FCB. Ich glaube, das heißt „in der Diaspora leben“. :sweat_smile:

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