Als das Neuer-Interwiew damals sowohl in der „Süddeutschen Zeitung“ als auch in „The Athletic“ publiziert wurde, haben wir alle das einfach so zur Kenntnis gekommen und dann nur noch über die Inhalte, Hintergründe und möglichen Auswirkungen diskutiert.
Erst jetzt, in der Nachbetrachtung, drängt sich mir die Frage auf, warum bloß der Text in der „SZ“ zeitgleich in englischer Version auch noch in „The Athletic“ erschienen ist?
Ich kann mich nicht erinnern, dass diese doch ziemlich merkwürdige Tatsache in den Posts hier auf MSR jemals erörtert worden ist; vielleicht habe ich in der unglaublichen Fülle von Beiträgen aber auch etwas übersehen.
Ich meine, dass Neuer seinem Herzen Luft machen und seinen ganzen Frust (speziell bzgl. der Tapalovic-Entlassung) einmal „herausschreien“ wollte, dieses Motiv kann ich ja noch einigermaßen nachvollziehen. Wenngleich viele hier aber der Meinung waren, es handle sich um Vereinsinterna, die er lieber im direkten Gespräch mit Kahn, Salihamidzic, Nagelsmann usw. hätte klären sollen, statt über die „SZ“ die ganze (deutschsprachige) Öffentlichkeit zu involvieren und zu polarisieren.
Erst recht frage ich mich nun aber, welches Motiv und welche Notwendigkeit Neuer hatte, das Ganze zeitgleich auch noch in „The Athletic“ erscheinen zu lassen (was im übrigen natürlich auch beweist, dass seine Äußerungen in dem Interview nicht als spontaner emotionaler Ausbruch zu interpretieren sind, sondern von langer Hand und mit dem Ziel eines auch international maximalen Verbreitungsgrads professionell geplant waren)??
Die einzige (aber recht schwache) Begründung, die er m.W. dazu gab, war, dass er „mögliche Missverständnisse aufgrund einer späteren fehlerhaften Übersetzung ins Englische“ vermeiden wollte.
Aber ich meine, was soll das?
Wenn z.B. der englische Nationaltorwart Jordan Pickford sich schwer verletzt hat und aus dem Krankenstand heraus schmutzige Wäsche waschen will und vereinsinterne zwischenmenschliche Konflikte nach außen trägt, die v.a. mit der Entlassung eines TORWART-TRAINERS (!) seines Vereins zusammenhängen, dann interessiert das im Ausland (außer z.B. glühenden Premier-League-Fans in Deutschland) doch kein Schwein.
Und dann würde man es doch befremdlich finden, wenn er bei einem diesbezüglichen Interwiew für, sagen wir mal, die „Times“, für eine zeitgleich erscheinende deutsche Übersetzung z.B. in der „SPORT-BILD“ gesorgt hätte… Da würde man sich doch fragen, was geht denn hier ab?
Okay, Neuer ist international natürlich sehr viel bekannter bzw. berühmter als Pickford (und der FC Bayern ist nicht der FC Everton…) und Englisch eine Weltsprache, aber trotzdem. Hat Neuer dermaßen viele britische Fans, dass er meint, diese müssten, während er ein halbes Jahr lang eine selbstverschuldete Verletzung auskuriert, instantan „voll informiert“ werden über einen Konflikt, den sein Vereinstrainer mit einem angestellten Torwarttrainer hat?
Wievielen englischen Lesern von Sportzeitschriften war der Name Tapalovic vorher bekannt?
Der Schaden, den Neuer mit dem Interview dem FCB und seiner Reputation als seriös geführter Verein zugefügt hat, ist durch die zeitgleiche (und m.E. unnötige) englischsprachige Veröffentlichung in „The Athletic“ jedenfalls verdoppelt oder sogar verfünffacht worden (ich weiß nicht, welchen Verbreitungsgrad „The Athletic“ in der englischsprachigen Welt hat).
Wenn ich im FCB-Vorstand wäre, würde ich mich jedenfalls schwarz ärgern, dass die „schmutzige Wäsche“ nicht nur nicht vereinsintern geklärt und in deutschen Printmedien geäußert worden ist, sondern durch die Veröffentlichung in „The Athletic“ jetzt sogar obendrein noch international hohe Wellen schlägt.
Und, by the way, WER hat eigentlich den englischen Text für „The Athetic“ verfasst, der doch vor seiner Drucklegung sicher ebenfalls von Neuer autorisiert werden musste?
Hat die „SZ“ der Zeitschrift „The Athletic“ eine professionelle englische Fassung zur Verfügung gestellt?
Oder wurde diese von Neuers Spielerberater-Agentur verfasst?
Zwar sprechen die deutschen Nationalspieler in der Regel genug Englisch, um sich auf dem Spielfeld verständlich machen oder auch die eine oder andere Frage in einer PK in ein paar kurzen englischen Sätzen beantworten zu können. Doch die Publikation eines längeren Interviews in DRUCKREIFER und geschliffener englischer Sprache ist doch noch mal etwas ganz anderes - zumal Neuer damit ja eigenen Angaben zufolge mögliche „fehlerhafte Übersetzungen ins Englische vermeiden“ wollte.
Damals ist mir das gar nicht so aufgefallen, aber retrospektiv finde ich Neuers Bestreben (oder das seiner Berater?) nach zeitgleicher maximaler internationaler Verbreitung der eigentlich doch vereinsinternen „schmutzigen“ Wäsche im Zusammenhang mit einem in England völlig unbekannten Torwarttrainer doch etwas befremdlich. Zumindest wirft sie Fragen auf.