Zum Tod von Uwe Seeler

Uwe Seeler - RIP - verdient schon eine Erwähnung hier, denn genau an dem Punkt, wo Gerd Müllers Karriere fraglos Weltklasseformat gewann, spielte er eine entscheidende Rolle: nämlich bei der legendären WM von 1970 in Mexiko.

Seeler war im Frühsommer 1968 aus der N11 zurückgetreten. Zu diesem Zeitpunkt litt Müller wie auch das gesamte Team des FC Bayern unter einer Formkrise, so dass die ersten Siege überhaupt gegen England und Brasilien (in Freundschafts-spielen) mit anderen Angreifern errungen wurden. Dann kam die erste Double-Saison 1968/69 mit einer überragenden Performance von Gerd Müller, der sich dann auch für den DFB als mehrfacher Last-Minute-Goalgetter auf dem Weg zur WM 70 profilierte. Im September 1969 konnte Bundestrainer Schön Uwe Seeler zum Rücktritt vom Rücktritt bewegen, und im entscheidenden Quali-Spiel gegen die starken Schotten in Hamburg spielten Müller und Seeler dann bereits gemeinsam im Angriff. Müller war allerdings nicht sehr glücklich über diese Entwicklung und wurde, als er im Frühjahr 1970 seine Ambitionen auf den Stammplatz im Sturmzentrum artikulierte, von Schön zunächst in die Schranken gewiesen. Seine 38 Bundesligatore in der Saison 1969/70 waren allerdings natürlich schon ein unübersehbares Statement.

So sah es wohl auch Seeler, immerhin lange Zeit der mit Abstand gefährlichste deutsche Angreifer und als Spielführer weiterhin unumstrittener Anführer des deutschen Teams. Er verzichtete also in Mexiko von Anfang an darauf, es zu einem Machtkampf mit Müller kommen zu lassen, unterstützte diesen als mit immerhin knapp 34 Jahren in der Höhenluft erstaunlich laufstarke hängende Spitze optimal, steuerte selbst auch noch drei Tore bei (darunter das berühmte Hinterkopftor zum Ausgleich gegen England) und hatte erkennbar bei allem Ehrgeiz kein Problem damit, in für ihn völlig ungewohnter Position Gerd Müller beim Aufstieg zum Superstar mit 10 großenteils spielentscheidenden Turniertoren zu begleiten.

Dass Seeler dann von den Sportjournalisten zum dritten Mal zum Spieler des Jahres gewählt wurde, war aufgrund dieser im Sinne des Teamerfolgs auch menschlich überragenden Leistung keineswegs unplausibel. Müller aber, der selber gerne zum dritten Mal diesen Titel errungen hätte, verdross es zunächst; das war wiederum auch verständlich nach der fabelhaften WM. Dann aber wurde er am Jahresende als erster deutscher Spieler zu Europas Fußballer des Jahres (Ballon d’Or) gewählt, und damit war dann jener Mangel geheilt.

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Einer der ganz großen deutschen Sportler, keine Frage - und für mich persönlich ein absolutes Vorbild als Mensch. Bodenständig, sympathisch, empathisch und niemals abgehoben. Ich habe seine ganz große Zeit als Sportler leider nicht live miterlebt, aber ihn immer als Person sehr geschätzt. Das ist für mich mehr wert als seine zweifelsohne grandiosen sportlichen Leistungen.

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Ruhe in Frieden - uns Uwe

Eine absolute Legende des Fußballs.
Ein herzensguter Mensch

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Aus sportlicher und menschlicher Sicht ein absoluter Musterprofi und einer der besten 5 deutschen Fußballer aller Zeiten!

Der Himmel kann sich auf Deine Seele freuen, lieber Uwe!

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Wer - wie meine Wenigkeit - in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist (seit 1963 bundesligafreie Zone und eher handballaffin), weiß von den Heimfahrten zur Familie her über die vielen Häuser und Gehöfte entlang von Autobahn oder Bahnstrecke mit trotzig im Wind wehender HSV-Flagge. Dazu mögen auch die 1983er Europacupsieger beigetragen haben - aber der ehrliche Stolz Vieler, sich auch in tristen Zweitligazeiten zur Raute zu bekennen, hängt zum großen Teil auch mit uns Uwe zusammen.
Was die Nationalmannschaft angeht, zeigte sie sich mit Uwe an der Spitze besonders im WM-Finale 1966 als vorbildliche „Diplomaten im Trainingsanzug“: Zwar protestierten einige DFB-Spieler verständlicherweise heftig gegen das sogenannte Wembley-Tor in jener 101. Spielminute. Doch Uwe Seeler sammelte sie rasch ein und schwor sie darauf ein, die noch vorhandenen Kräfte auf den möglichen Ausgleich zu konzentrieren. Das trug dazu bei, dass - gerade zwanzig Jahre nach Kriegsende - nach Abpfiff Uwe & Co. das Deutschlandbild - nicht nur in England - positiv beeinflussten.

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Ich muss zugeben, wenn ich an Seeler denke fällt mir als erstes die damalige „Fehde“ mit Gerd Müller ein. Wenn die auch eher einseitig war.
Das wird Seeler natürlich nicht gerecht, aber so ist es halt wenn man Bayern-biased ist.

Wenn man die Größe und Bedeutung von Seeler für den deutschen Fußball beschreiben will, muss man die enorme Diskrepanz zwischen sportlichen Erfolgen und Beliebtheit und Bekanntheit sehen.
Sportlich, wenn man in Titeln denkt, waren die Erfolge von Seeler ziemlich übersichtlich. Mit der NM gar nichts. Mir dem HSV gerade mal eine Meisterschaft und ein DFB-Pokal.
Aus dieser Position heraus zu einer solchen Legende zu werden? Das muss dann schon viel mit dem Sportler und Menschen an sich zu tun haben.
Ich weiß gar nicht, ob es auch nur einen einzigen vergleichbaren Fall in Deutschland gibt.

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Das würde ich so nicht sagen. Ein zweiter Platz bei der WM 1966 (Wembley-Tor, Seeler 3 Tore). Ein dritter Platz bei der WM 1970 (seinen Anteil daran habe ich oben geschildert). Ein vierter Platz bei der WM 1958 (2 Tore). 1965 im ersten Länderspiel nach Achillessehnenriss, damals ein Riesendrama, der Siegtreffer im entscheidenden Quali-Spiel in Stockholm gegen Schweden. Eine beachtliche Bilanz. Die Professionalisierung kam ja viel später als in den anderen großen Fußballnationen. Da waren solche Erfolge gar nicht selbstverständlich.

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Ich sprach von Titeln. Und da sind es eben Null.

Ja, klar. Aber schon in seiner Zeit als Spieler war seine Bedeutung nicht nur an Titeln zu messen. Niemand hätte nach dem Finale in Wembley gesagt: „Tja, war wohl nix, Uwe.“ Sondern man fand es beeindruckend, wie er das Team dazu anhielt, die Fehlentscheidung und den dennoch nicht unverdienten Sieg Englands sportlich fair hinzunehmen.

20 Jahre nach Kriegsende war das ein für das Ansehen der Bundesrepublik wichtiger Auftritt, der etwa die Erinnerung an die chauvinistischen Hassausbrüche hierzulande nach der etwas unglücklichen Halbfinalniederlage 1958 gegen Gastgeber Schweden verblassen ließ. Noch im 66er Halbfinale gehörten die Sympathien des Liverpooler Publikums eindeutig dem Team der Sowjetunion. Seeler war ein unprätentiöser, unaufgeregter Repräsentant der deutschen Nachkriegsgesellschaft, dessen sportliche Vita dadurch an Gewicht gewann.

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Ich denke, man sollte im rein sportlichen Bereich berücksichtigen, dass die Sechziger Jahre eine Art Zwischenära waren, in der der deutsche Fußball so ein wenig auf der Suche war:
Die goldene Weltmeister-Generation von 1954 war abgetreten, die nachfolgende der goldenen 70er noch in ihren Kinderschuhen. Die Nationalelf war nach dem relativ mauen Abschneiden in Chile 1962, dem vielen als Wagnis erscheinenden Bundesligastart sowie dem Bundestrainer-Wechsel vom „ewigen“ Herberger zum sensiblen Schön auf ungewisser Standortbestimmung. Die Qualifikationen zur WM 1966 (2:1 in Schweden, Uwes Spezialschuh!) sowie 1970 (3:2 gegen Schottland) waren denn auch hauchdünn, jene zur EM 1968 (0:0 in Albanien, ohne Uwe) geriet zum Desaster.
National gab es den halbgaren Kompromiss des „Lizenzspielers“ zum BuLi-Start. Legendär (aber aus heutiger Sicht auch absurd), wie der Topspieler einer Fußballnation als Adidas-Versicherungsvertreter über die Dörfer fahren musste.
Auch sein HSV hatte den Ligabeginn nach eigener Aussage eher verschlafen - anders als etwa der 1. FC Köln mit dem ausgefuchsten Präsidenten Kremer und dem hochprofessionellen Geißbockheim. Auch Teams wie Dortmund, 1859+1, Werder oder gar Duisburg erzielten bessere Platzierungen als der Rautenklub.
Eine Ausbeute wie Meistertitel 1960 (zuvor bereits Finale 1957 und 1958), Pokalsieg 1963 (Finale 1956 und 1967), Europacupfinale 1968 (Pokalsieger) sowie -halbfinale 1961 (Landesmeister) erscheint da sehr ordentlich.

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Schöner Artikel von BBC

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