Die Erkenntnis mag zwar 0-8-15 sein, aber Fußballspiele werden meist durch Fehler entschieden und Fehler wiegen in einem Low-Scoring-Game schon ziemlich schwer. Wenn man ein Spitzenspiel nicht gewinnt oder dort ein Gegentor kassiert, dann ist das in der Regel verbunden mit Fehlern. Schon deshalb, weil man selbst ungern anerkennt, dass ein Gegentor gut rausgespielt war und sich eher darauf fokussiert, was falsch lief. Das ist rein psychologisch bedingt so. Während man in der Offensive dazu tendiert, den eigenen Spieler hervorzuheben und die Fehler des Gegners kleiner zu halten als sie womöglich waren.
Wenn man jetzt eine Liste an Spielen abarbeitet, in denen man nicht gewonnen hat oder Gegentore bekam und dort die Fehler auflistet, dann listet man automatisch nicht die Spiele auf, in denen man fehlerfrei oder zumindest fehlerarm agiert hat.
Mir driften solche Diskussionen dann zu oft in Sphären ab, in denen man das Gefühl dafür verliert, was denn jetzt wirklich die Realität ist. Wenn Kritik dann in Richtung „das passiert nur uns im Vergleich zu anderen Spitzenteams“ geht, dann muss ich widersprechen.
Schaut euch doch mal beispielsweise Real Madrids Spiele in den letzten Jahren in der Champions League an, wenn es entscheidend wurde. Einerseits findet ihr zwar durchaus das Maß an Effizienz, das ihr beim FC Bayern so schmerzlich vermisst, andererseits findet ihr aber auch unfassbare Defensivfehler von Madrid in zahlreichen wichtigen Spielen, die man einem derart „abgezockten“ Haufen ja wohl kaum unterstellen würde – und auf der anderen Seite reihenweise Topteams, die ihre Topchancen nicht nutzen. City ist ja allein in der vergangenen Saison das beste Beispiel im Duell mit Real. Und in einem Spiel hatten sie doch auch mal über 30 Abschlüsse und Real nur wenige und Real hat gewonnen, wenn ich mich recht erinnere.
Wenn wir das Thema statistisch aufdröseln würden, dann kämen wir ganz sicher zu dem Schluss, dass sich die Bayern hier nicht in einem unnormalen Status befinden. Ich habe da schon mehrfach grob reingeschaut, aber der Aufwand für eine Detailanalyse ist mir zu groß. Mein Gefühl ist, dass Bayern nicht auffällig mehr Großchancen vergibt als andere.
Aber klar, die Emotionen sind in solchen Spielen besonders groß und irgendwann entwickeln sich Narrative, die bei jeder weiteren vergebenen Großchance selbst weiterleben. Wie das Kimmich-Ecken-Narrativ, das sich aus Gründen der gefühlten Wahrheiten nicht stoppen lässt.
Übrigens aus ähnlichen Gründen: Beide Narrative leben davon, dass man Chancen gern überbewertet. Man würde sich dann doch darüber wundern, wie viele Topspieler einen relativ freien Kopfball aus fünf Metern Distanz vergeben oder wie oft ein Schuss aus halbrechter Position mit nur leicht spitzem Winkel nicht ins Tor geht. Oder wie selten Ecken insgesamt dann eben zu nennenswerten Chancen geschweige denn Toren führen.
Ich denke schon, dass man darüber diskutieren muss, wie man in wichtigen Spielen noch mehr Tore schießen kann. Das ist ein Problem, das der FC Bayern zweifellos hat. Aber der Weg dahin wäre mMn mehr Qualitätschancen zu haben. Dass Kane zwei oder drei solcher Hochkaräter vergibt, ist zumindest unwahrscheinlicher als bei einem. 
Klar, das ist gegen ein Team wie Inter nicht so leicht, aber deshalb sind es ja zwei Topteams. Und das eine hat diesmal eben effizienter spielen können, während das andere die Effizienz aus den beiden Leverkusen-Spielen, die ja schon wieder komplett vergessen wurde, nicht auf den Platz gebracht hat.
Champions League ist dann eben mehr Detaillevel und kleine Zufälle als es vielen lieb ist. Weil man ungern Kontrolle über etwas verliert. Und erst recht verliert man ungern die Möglichkeit, etwas erklären zu können.