Kommentar zur Ausbildung von Trainer:innen: Ihr Ansatz ist falsch, Herr Lahm!

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Philipp Lahm kritisierte jüngst in seiner Kolumne bei der Zeit, dass in Deutschland zu wenig Ex-Profis mit nennenswerter Spielerkarriere an der Seitenlinie stehen würden. Damit folgt er nicht nur einem irrtümlichen Standardreflex des Profifußballs, sondern verfehlt auch eine deutlich wichtigere Debatte: Wie kann der DFB in der Trainer:innenausbildung diverser werden?…

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Ich stimme Euch - auch aus beruflicher Erfahrung - vorbehaltlos zu: eigene Erfolge können eine gute Voraussetzung für Coaches sein, sie müssen es aber nicht zwangsläufig. Und die Erweiterung der eigenen Fähigkeiten, Fortbildung und Erweiterung des Horizonts sind unabdingbar für langfristig erfolgreiches Coaching; um es mit KHR zu sagen: Conditio sine qua non. :wink: Hitzfeld und Löw sind weitere Beispiele guter, aber nicht überragender Spielerkarrieren und sehr viel eindrucksvollerer Erfolge als Trainer.

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Ich glaube richtig erfolgreiche Spieler haben andere Erwartungen als Trainer an ihre Spieler
Vor allem die Herren Basler, Effenberg und Co schwelgen doch immer wieder in ihrem „Bei und früher war das so und so“, „Belastungssteuerung… so ein moderner dreck“, „Wenn wir früher nicht gelaufen sind…“ etc pp

So kannst du halt heut nicht mit Spielern arbeiten… vor allem nicht mit den Jungen wo jeder zweite der nächste Messi werden will

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Großes Dankeschön für diesen Artikel und Zustimmung in allen Punkten.
Ich muss sagen, dass es mich doch sehr überrascht, was Lahm da alles absondert… oder eigentlich auch nicht. Eine gewisse konservative Note ist in seiner Persönlichkeitsstruktur wohl immanent. Ich hielt ihn immer für einen reflektierten, intelligenten Fußballer, der nicht umsonst genau dafür von Pep Guardiola gelobt wurde, und der, wir erinnern uns, auch gewisse Fehlentwicklungen bei Bayern im richtigen Moment ansprach; deswegen hätte ich von ihm eigentlich eine andere Einschätzung erwartet. Ich erinnere mich noch an mein Fremdschämen bei Mehmet Scholls Lästereien über die Laptop-Trainer und hätte gehofft, dass einer wie Lahm nicht ins selbe Horn bläst, zumal zu erwarten ist, dass sich DFB und Konsorten bei Wortmeldung solcher Ikonen gern in ihrer blasierten und selbstgerechten Welt bestätigt fühlen. Die Diversitätsproblem habt ihr ja im Artikel deutlich angesprochen.

Ich glaube, der Knackpunkt inmitten der heutzutage wirklich komplexen Aufgabenstellung an einen guten Trainer liegt tatsächlich an der Fähigkeit, seine Inhalte so vermitteln zu können, dass die Mannschaft versteht, was der Coach will und es dann auch umsetzen kann. Nicht umsonst ist die Aussage, die man über Guardiola sehr häufig von Spielern hört, dass er „einem sehr viel Lösungswege an die Hand gibt“. Das wiederum scheint mir eine klare pädagogische Kompetenz zu sein und weniger seiner Weltklasse-Spieler-Karriere geschuldet, zumal ihm klar sein muss, dass nicht jeder Spieler die Dinge so umsetzen kann wie er es früher konnte.
Auf der anderen Seite muss man da natürlich an solche Leute wie Beckenbauer oder Zidane oder Ancelotti denken, die eine Kabine offensichtlich kraft ihrer Aura lenken konnten oder können, ohne eine spezifisch wiedererkennbare Idee von dem Spiel ihrer Teams zu haben. Aber auch das hat dann eher mit einer Persönlichkeitsstruktur zu tun und weniger mit der Praxiserfahrung.

So what, ihr schreibt es ja: es führen viele Wege nach Rom. Aber in der heutigen Zeit, mit der heutigen Spielergeneration, scheint mir der von Lahm vorgezeichnete Ansatz in eine oder mehrere Sackgassen zu führen.

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Die arg oberlehrerhafte Überschrift trifft mMn den sonst angenehmen Ton des MSR-Blogs nicht so recht.

Ansonsten ist die Diskussion mir viel zu dogmatisch: Lahm argumentiert kaum besser, als früher super-Mario. Die Antwort driftet aber auch ins Idealistische ab.

Ein guter Trainer muss mMn 3 Dinge können:

  1. „Die Kabine mitnehmen“ - sprich, Motivation und Teamspirit erzeugen, auch bei den Ersatzspielern.
  2. Eine stimmige Idee vom zu spielenden Fußball haben - ob Ballbesitz, Umschaltspiel oder rein defensivem Pressing. Ob schön oder häßlich, es muss zum Kader passen.
  3. In engen Spielen den Gegner insoweit analysieren können, dass auf dem Platz flexibel Antworten gefunden werden.

Wenn ein:e Trainer:in diese 3 Punkte erfüllen kann, wird sie / er / es erfolgreich sein, ganz unabhängig von Ausbildung und Biographie.

Insofern eigentlich eine Sommerloch-Debatte. Aber das gehört zum Milliardengeschäft Fußball mittlerweile halt dazu.

Danke an Dich und danke an Justin für eure klaren Meinungen, die ich komplett teile.
Ich habe mich beim Lesen des Zeit-Kommentars gefragt, ob nun Philipp Lahm tatsächlich nur anlässlich des Amtsantrittes von Xabi Alonso diesen Text initiiert hat (schreiben tut das ja Oliver Fritsch), oder ob da irgendwie ein Seitenhieb auf Julian Nagelsmann mit beabsichtigt war.
Ich hoffe mal nicht, aber ich habe irgendwie kein klares Bild von der Gedankenwelt des Philipp Lahm … bereut er evtl., dass er damals das Angebot, als Sportdirektor bei Bayern einzusteigen, so brüsk abgelehnt hat und jetzt wohl auf lange Sicht raus ist, weil inzwischen Brazzo und Kahn erfolgreich sind und fest im Sattel sitzen?
Ich will da wirklich nichts unterstellen, würde aber gerne wissen, wie ihr das einschätzt!?

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Vor sieben Monaten schrieb Lahm in seiner „Zeit“-Kolumne, die übrigens von 30 internationalen Zeitungen übernommen wird, eine fast schon hymnische Würdigung Ancelottis. Im Kommentarbereich beantwortete ich die Frage eines Foristen nach den Gründen für CA’'s Scheitern beim FCB wie unten angefügt. Lahm stellte besonders auch seine unter Sacchi bei Milan entwickelten strategischen Fähigkeiten als Spieler heraus und wartete mit einigen Anekdoten auf, die Empathie und Lässigkeit belegten. Es drückte sich darin eine uneingeschränkt positive Sichtweise aus, die von nichts anderem als tiefer Überzeugung sprach. Seine insofern eher konservative Sicht auf die Dinge steht für mich daher außer Frage. Irgendwelche Hintergedanken dabei zu vermuten besteht m.E. wenig Anlass.

ZON 12.4.2022:

„Warum das Laisser-faire eines Ancelotti nicht zu Bayern gepasst hat und ab welchem Moment er Mannschaft verloren hatte, würde mich schon interessieren.“

Lahms Vertrag lief bis 2018, und über seine Entscheidung, ein Jahr früher aufzuhören, wurde damals spekuliert, sie könne schon mit der Entwicklung des Teams unter Ancelotti zu tun haben.

Als dieser dann früh in der folgenden Saison nach einer desaströsen Leistung bei PSG entlassen wurde, war der Hauptgrund, dass er sich einige zentrale Spieler zu Gegnern gemacht hatte.

Es spricht m.E. nichts dagegen, mit dem Abstand von einigen Jahren einem in der Tat seit langem sehr erfolgreichen Trainer eine angemessene Würdigung zuteil werden zu lassen. Lahms Statement wirkt dennoch ein wenig sehr geglättet, wenn man bedenkt, dass er direkt miterlebt hat, wie schnell die erste Begeisterung über die „lange Leine“, die Ancelotti den Spielern nach der anstrengenden Akribie Guardiolas gewährte, einem Befremden über die in Trainingsbetrieb und Spielvorbereitung eingekehrte Nachlässigkeit wich; von einem In-Game-Coaching, wie man es von Pep gewohnt war, ganz zu schweigen.

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Man muss das doch eigentlich nur mal statistsich betrachten - wir haben mittlerweile 84 Mio Einwohner, der Anteil davon der Fußball auf Top Niveau spielt ist extrem winzig und aus diesem winzigen Pool dann nochmal richtig gute Trainerkandidaten herausfiltern, da bleibt ja kaum etwas.
Auf der andren Seite habe ich aber zig Millionen Menschen die körperlich (oder aus anderen Gründen) einfach nicht das Zeug zum Profifußball hatten, unter denen aber ein genauso großer Prozentsatz die Grundlagen für einen guten Trainer mitbringt.
Die Ex-Profis haben einen gewissen Vorteil um leichter rein zu kommen, die andere Gruppe ist aber ungleich größer und wird daher auch ungleich mehr Kandidaten mit den bestmöglichen Voraussetzungen stellen.

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Ich denke, dass viele Profis, die durchaus als Trainer geeignet wären, nach Ende ihrer aktiven Karriere weder Lust noch die finanzielle Notwendigkeit haben, in dieses Geschäft einzusteigen.
Während heutzutage jeder mittelmäßige Profi nach zehn Jahren Bundesliga souverän ausgesorgt hat, suchten sich früher selbst die Top-Spieler noch Anschlussbeschäftigungen um den gewohnten Standard zu halten.
Zudem erscheint mir als wäre die Tätigkeit als Fußballprofi heute mehr Beruf als Berufung. Die Spieler, die ohne grünen Rasen nicht sein können und die auch nach Ende ihrer aktiven Karriere nicht vom Fußball loskommen, wird meines Erachtens immer geringer.
Selbst in der Landesliga sehen viele Spieler den Fußball mittlerweile als Nebenjob, der das Studium finanziert. Kaum steigen sie dann ins Berufsleben ein, ist im besten Alter Schluss mit Fußball. Da wird nicht mal mehr hobbymäßig beim Heimatverein unterklassig mitgekickt.
Ob das gut oder schlecht ist, keine Ahnung. Die Zeiten ändern sich halt. Basler und Effenberg sind bestimmt nicht als Trainer geeignet, andererseits würden die im NLZ-Zeitalter auch nicht mehr Bundesliga-Profi werden und schon in der Jugend aussortiert.
Mir ist es egal, ob ein Trainer früher gespielt hat oder nicht, das sagt nichts über seine Qualität aus.
Bei Typen wie dem Ex-Nürnberger Robert Klauß dreht es mir aber den Magen um, so einen Quatschkopf will ich nie auf der Trainerbank der Bayern sehen.

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das war die ganze zeit mein treibender gedanke - ich war aber zu faul es aufzuschreiben - danke :slight_smile:

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Schätze ich ähnlich ein, aber ich gebe auch frei zu dass ich nie großer Lahm Fan war (abseits des Platzes) und seine generell nichtssagenden Kolumnen das bestätigen.

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Das ist wirklich schwer zu sagen, wir können halt alle nicht in seinen Kopf reinschauen. Eigentlich würde ich ihn charakterlich so nicht einschätzen, aber wer weiß. Ich kann halt einfach schwer verstehen, wie er zu solchen Einlassungen kommt, erinnere mich noch an seine Elogen grade zu Peps Zeiten bei uns, die beiden hatten, soweit man weiß, so viele Gespräche grade taktischer Natur, und er weiß sicher, wie sehr der Katalane sich theoretisch gebildet hat und welche Vorbilder er hatte (Bielsa etwa), um der Trainer zu werden, der er ist. Es ist ja nicht so, dass seine Beschreibung der natürlichen Vorteile eines Ex-Spielers falsch wäre, nur muss ihm doch klar sein, dass das als Diss von Trainertypen wie Tuchel, Nagelsmann, Rangnick etc. rüberkommt.
Was mir abseits des Themas allgemein auffällt, ist die fehlende Grauzone grade der Ex-Bayern-Spieler zum FC Bayern. Gibt ja zuhauf vermeintliche Experten auf allen Kanälen, und ich hab das Gefühl, dass es da zwischen überkritisch und immer wohlwollend wenig gibt. Klar, Bayern ist halt ideal geeignet, um zu polarisieren. Aber vielleicht hat es ja doch seine guten Gründe, warum der eine in echter Verantwortung steht und andere nur seltsame Sachen daherreden.

Gut möglich, dass er als Spieler froh war, stets mit Trainern zu tun zu haben, die eine große Spielerkarriere vorweisen konnten. Das gilt ja auch für Guardiola, Cruyffs „rechte Hand“. Löw bildet die Ausnahme, und den hat er nach dem EM-Aus 2021 und seinem längst angekündigten Abschied massiv kritisiert. Das kontrastiert deutlich mit seiner unverrückbaren Begeisterung für Ancelotti, mit dem er nicht erfolgreicher war als mit Löw. (Dies liefert auch die Antwort auf Justins Überlegung, woher die Wertschätzung ausgerechnet für Sacchi wohl rühre: bei dem habe Ancelotti seine herausragenden strategischen Fähigkeiten entwickelt.) Dazu passt, dass er im aktuellen Artikel ausdrücklich eine aus seiner Sicht hierzulande vorherrschende Orientierung an Rangnicks Auffassung kritisiert, Spieler und Trainer seien zwei völlig verschiedene Berufe, die nicht aufeinander aufbauen. Rangnick & Co. sind also definitiv nicht seine favorites.

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Stimme dir zu, so wird’s wohl sein. Aber genau diese Orientierung ist, wie im Artikel herausgearbeitet, eben kaum die Realität. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als immer dieselben Namen auf dem Trainerkarussell fuhren und Rangnick für seinen Auftritt damals im Sportstudio verlacht wurde. So lang ist das nicht her. Es war doch genauso wie mit dem Libero oder der Raumdeckung, wir in Deutschland waren da eher spät dran mit den ganzen Entwicklungen. Dass sich das jetzt heute quasi umgedreht hätte, diesen Eindruck hat Lahm aber ziemlich exklusiv. Ich finde sowieso, dass sich heute eine Menge diverser Trainertypen in der Bundesliga tummeln. Baumgart, Terzic, Alonso, Streich, allein die vier decken doch schon ein wahnsinniges Spektrum ab…

Grundsätzlich haben Leute aus der Praxis immer einen gewissen Vorteil.

Es gibt Leute, die brilliant sind im theoretischen Bereich, die aber in der Realität/Praxis dann in dem Bereich nichts reißen.

Es gibt aber auch Leute, die in ihrem Bereich in der Praxis absolut top sind, dann aber im übergeordneten Bereich/management total versagen.

Da gibt es Beispiele ohne Ende.

Auf den Fußball bezogen, sehe ich es genauso. Natürlich haben Fußballer, die schon in der aktiven Zeit, den Durch- und Weitblick auf dem Platz hatten einen Startvorteil wenn sie Trainer werden. Richtig ist aber auch, das all dieser Durch- und Weitblick nichts bringt, wenn man ihn nicht vermitteln kann.

Die Frage ist dann immer auch, was vermittelt wird, Prinzipien, taktische Lösungen, Mentalität, Überzeugung, Selbstbewusstsein?

Und vor allem an wen. Top Spielern in einem top Team oder Nachwuchs, - Durchschnittskickern in einem durchschnittlichen Team.

Man kann mMn festhalten, dass, egal ob nun aus welchem Lager Ex Weltklassespieler, Durchschnittskicker oder kein Kicker, diejenigen, die ihre Prinzipien, Ideen, Überzeugungen an den Mann bringen, die motivieren können (wie lange ist die zweite Frage), sind erfolgreich. Eine andere Frage ist dann, ob oder wie lange gewisse Prinzipien, Methoden, Ideen nachhaltig erfolgreich sind, bzw. ob und wie sich auch erfolgreiche Trainer anpassen können oder nach einer gewissen Zeit „untergehen“.

Das gilt mMn für alle der letzten Jahrzehnte egal ob Cruyff, Ferguson, Wenger, Sacchi, Lippi, Trap, Capello, Conte, Allegri, Mourinho, Ancelotti, Pep, Enrique, Zidane, Deschamps oder der Deutschen Hitzfeld, Jupp, Klopp oder Tuchel.

Wie man Nagelsmann hier schon in einem Atemzug nennen will, ist schon ziemlich abenteuerlich.

Die Liste derjenigen, die es versucht haben und gescheitert sind ist lang, neben den genannten Deutschen sollte man hier auch einen internationalen Blick haben. Ferguson Spieler wie die Nevilles, Scholes, Keane, Stam, Giggs, Solskjaer etc allesamt gescheitert. Liverpool „Ikone“ Gerrard gescheitert, wie viele seiner ex Kollegen. Aus dem Wenger Wunder Team allesamt gescheitert, allen voran Henry.

Oder Maradona? Gescheitert.

Bin gespannt wie sich Xavi und Xabi entwickeln. Und natürlich unser Talent Nagelsmann.

Von den anderen deutschen Talenten, die da gerade in D rumwerkeln, die der so überragenden Trainerausbildung des DFB entsprungen sind, sehe ich niemanden, der sich erfolgreich im internationalen Top Fußball festsetzen könnte.

Und genau darauf zielte mMn die Kritik von Lahm.

In D kommt doch aus dem Verband so gut nichts produktives mehr.

Wie siehst du Vieira‘s Trainer Karriere bis jetzt?

Macht bei Palace zzt einen guten Job
Jury still out- genauso wie bei Nistelrooy, RVP

Bemerkenswert ist mMn auch das letztlich eigentlich alle der holländischen golden Generation, die sich versucht haben, Gullit, van Basten, Seedorf, Rijkjard (trotz der einen guten Saison) etc letztlich gescheitert sind.

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@918: Ich gehe bei vielen deiner Aussage mit - oder würde zumindest nicht grundsätzlich widersprechen, aber an zwei, drei Stellen regt sich bei mir doch leichter Widerspruch beheizungsweise kommen mir einige tangentiale Gedanken, die auf deinem Beitrag aufbauen.

I. Die Motivationsfähigkeit eines Trainers ist ein entscheidendes Kriterium seiner Güte, vollkommen d’accord, wie bei jeder Führungskraft in Arbeitskontexten mit hoher sozialer Komponente, viel Interaktion, geringer Taktung durch Automatisierung und ohne konkret sinnlich greifbaren Arbeitsfortschritt am Werkstück und ständigem Wiederanfang bei Null (nach jedem Spiel geht alles immer wieder von vorne los).

Ich frage mich allerdings, inwiefern beim Fußball die Motivation der Mannschaft auch einfach davon abhängt, dass die Spieler auf dem Platz merken, dass das, was ihnen der Trainer im Training vermittelt, tatsächlich funktioniert. Ich glaube, Validation durch Erfolg kann motivationale Defizite eines Trainers auf der sozialen Ebene (feurige Ansprache, Variation im Ausdruck, die richtigen Worte finden zur richtigen Zeit) zu einem gewissen, vielleicht sogar hohen Grad kompensieren.

II.

Dein Validationskriterium für diese Trainer ist offensichtlich ihr Erfolg in der Rückschau auf ihr Werk. Den kann Nagelsmann aus zeitlichen Gründen noch nicht haben. Auf der materiellen Ebene und sozusagen nach vorne gerichtet sagt das aber nichts darüber aus, ob er nicht vielleicht auch ein genauso guter Trainer ist wie die vorgenannten, nur eben mit dem Unterschied, dass seine Karriere noch nicht so lange andauert und er daher noch nicht so viele Titel hat einsammeln können. Ein Gedankenexperiment: Angenommen, in 20 Jahren gilt Nagelsmann universell als einer der besten Trainer der Welt, hochdekoriert mit Meisterschaften und Europapokalsiegen. Du, im Besitz dieses Wissens, setzt dich in deine Zeitmaschine und reist in den Moment unmittelbar vor dem Verfassen deines Kommentars zurück. Würdest du diesen Kommentar dann noch einmal neu genauso verfassen? Oder würdest du Nagelsmann schon als einen guten Trainer (und nicht bloß als Talent) bezeichnen?

Mir ist klar, dass zwischen beiden Situationen ein qualitativer Unterschied vorliegt und ich möchte auch keine Grundsatzkritik an deiner Form der Bewertung äußern, einen Prozess nach seinem Ergebnis zu bewerten ist fair. Ich persönlich finde das nur bei Fällen wie der Beurteilungen der Fähigkeiten eines Trainers immer etwas unbefriedigend. Nimm nochmal das Gedankenexperiment. Ab wann hat Nagelsmann dann in der Rückschau aufgehört, nur ein Talent zu sein? Ab wann war er ein „richtiger“ Trainer, und ein guter dazu? Was sagt dir, dass er nicht heute schon ein „richtiger“, ein guter Trainer ist, der nur noch nicht die Zeit gehabt hat, all die Titel von Guardiola, Mourinho, Ancelotti und so weiter zu gewinnen?

III.

Woran meinst du liegt das? Sind die fachlich einfach zu schlecht oder könnte es auch daran liegen, dass es sich beim Trainermarkt nicht um einen vollkommenen Markt handelt, auf dem die Besetzung einer offenen Position ausschließlich nach dem Kriterium der besten fachlichen Qualifikation erfolgt?

Gibt es hier jemanden, der jemanden kennt, der etwas Fundiertes über die Qualität der Trainerausbildung beim DFB sagen kann? Ist die gut, ist die schlecht? Wie gut ist sie im internationalen Vergleich? Ich kann das nicht beurteilen, aber eine fachkundige Meinung zu dem Thema würde mich interessieren.

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@Alex

  • natürlich gibt es da eine gewisse Wechselwirkung. Erfolg ist im Leistungssport letztlich der ultimative Faktor. Und der wird von verschiedenen Clubs bzw Verantwortlichen unterschiedlich definiert bzw. angepasst.

Man kann das deshalb auch nicht generalisieren, aber wenn man sich auf die Top Clubs beschränkt, dann ist die Zielsetzung eigentlich nicht sehr viel anders. Und die Kriterien für das erfolgreiche Arbeiten eines Trainers relativ ähnlich.

Ein erfolgreicher Trainer muss mMn nicht nur das theoretische Basiswissen haben, über eine hohe Motivationsfähigkeit verfügen, sondern beides auch vermitteln und umsetzen können.

Top Spieler merken mMn relativ schnell, ob da jemand steht, der es kann oder nicht kann. Dazu gehört sicherlich auch, ob jemand in der Lage ist, seine Vorstellungen ggf. auf die Spieler und Situation anzupassen. Leute, die als Spieler auf höchstem Level mit erfolgreichen Top Trainern gearbeitet haben, haben da mMn immer einen Vorsprung, ob sie ihn nutzen können, ist dann die andere Frage.

  • auf Nagelsmann bezogen, ist es mMn viel zu früh zu beurteilen, ob er dauerhaft erfolgreich auf top Level arbeiten kann. Die Voraussetzungen sind sicherlich vorhanden, aber es ist eben mMn offen, ob er es umsetzen kann. Die vorherigen Stationen sind mMn dafür irrelevant. Er scheint ja nun gelernt zu haben, und auf den FCB bezogen, die Kurve bekommen zu haben. Das Team spielt seit Augsburg nicht nur erfolgreich sondern weitestgehend überzeugend. MMn ist ein Trainer immer dann erfolgreich, wenn er es schafft, das das Team dauerhaft überzeugend und erfolgreich spielt. Das ist nun bei Nagelsmann noch nicht der Fall. Es sind ja nicht nur die Spiele in dieser Saison gewesen, sondern quasi seit letzen November fast die gesamte Rückrunde hindurch.

  • außer Tuchel und Nagelsmann sehe ich niemanden, der für einen internationalen Top Club interessant wäre (Klopp ausgenommen). MMn wird viel zu viel auf Gegenpressing und Umschaltspiel wert gelegt. Elemente des dominanten Ball und Kombinationsfussball fehlen weitestgehend. Man scheint sich weitestgehend an der Schule Rangnick und Klopp zu orientieren. Dabei wäre es so einfach gewesen, denn der Maestro war ja in town, aber man wusste es ja besser; wie hat Kovac es 2018 formuliert? Die Zeiten des Ballbesitzfussball sind endgültig vorbei.

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Für meinen Geschmack wird das Thema „Motivieren“ überschätzt bzw. vom Ansatz her falsch diskutiert.
Das klingt immer so, als säße da ein Kader aus talentierten, aber eher lustlosen MItarbeitern herum, die vom Chef so weit „motiviert“ werden müssen, dass sie halbwegs ihre Leistung bringen.
In Wahrheit reden wir aber hier doch über Menschen, die sehr viel Spaß am Fußballspielen haben, natürlich talentiert sind und vor allem aber auch extrem ehrgeizig und leistungswillig - sonst hätten sie es nie zum Fußballprofi geschafft, geschweige denn zum FC Bayern.
Die braucht man nicht „motivieren“; aber man kann sie durchaus demotivieren - wenn man z.B. Spieler auf eine falsche Position stellt, sie ein System spielen lässt, in dem eher ihre Schwächen als ihre Stärken zur Geltung kommen (Kovac lässt grüßen), indem man nach Sympathie auftstellt statt nach Leistung, oder insbesondere indem man fachlich weniger drauf hat als die Spieler selbst. Und natürlich auch, wenn man menschlich ein A… ist.

Dass eine Mannschaft wegen eines flammenden Appells des Trainers vor dem Spiel besser performt als ohne, halte ich für eine Legende. Und wenn es ja so wäre, kann das doch nicht über eine ganze Saison tragen.
Ein Top-Trainer muss, wie von Dir richtig beschrieben, durch gute Spielanalysen (des Gegners und der eigenen Mannschaft) und konkrete Handlungsanweisungen an die Spieler, die dann auch auf dem Platz funktionieren, überzeugen.

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