Hitzfeld kommt mir in einigen Listen etwas gut weg. Ein kleiner Überblick:
Hitzfeld 1998/99 war grandios. Er schaffte es nach einigen unruhigen Jahren wieder Ruhe in den Laden zu bringen und die Mannschaft spielte im ersten Jahr auch tollen Fußball. Das erste Triple der Vereinsgeschichte wurde auf eine Weise verpasst, für die das Wort tragisch noch fast untertrieben wäre. Im Finale gegen ManU war man mit Abstand die bessere Mannschaft, hatte 2 Alutreffer, um auf 2:0 zu stellen und verlor dann durch 2 Standards in der Nachspielzeit. Im Pokalfinale gegen Werder verschoß ausgerechnet Effenberg, der eigentlich sehr sicher vom Punkt war, den Matchball im Elfmeterschießen. Das war schon sehr bitter. Die Saison 1999/00 war spielerisch immer noch über weite Strecken schön anzusehen. Hier würde ich nur massiv kritisieren, dass Hitzfelds Idee, den im März nach New York wechselnden Matthäus durch Jeremies ersetzen zu wollen, beinahe zu einer titellosen Saison geführt hätte. Ohne Ballacks Eigentor in Unterhaching und den Patzer von Leverkusen wäre die Meisterschaft futsch gewesen, auch weil Jeremies u.a. im Derby gegen die Blauen ein kapitales Eigentor unterlief. Ähnlich schwach war er als Abwehrchef in Madrid (inklusive weiterem Eigentor) und das kostete uns wohl die erneute Finalteilnahme.
2000/01 war die Bundesligasaison eigentlich sehr schwach, aber der Erfolg in der CL überstrahlte alles, auch wenn er mit einer Art von Fußball erreicht wurde, die heutzutage für Amokläufe im Forum sorgen würde.
Die Zeit bis zum Ende seiner ersten Ära war dann eigentlich eine verlorene Zeit mit einigen Rückschlägen.
2001/02 konnte zwar der Weltpokal gewonnen werden, ansonsten blieb man titellos.
2002/03 kam es zum ersten und bisher einzigen Ausscheiden in der Gruppenphase der CL. Man wurde sogar Gruppenletzter. Das konnte vom nationalen Double nur bedingt kaschiert werden.
2003/04 gab es dann erneut ein titelloses Jahr.
In der Rückrunde 2006/07 erreichte „Feuerwehrmann“ Hitzfeld in seinen immerhin 15 Spielen in etwa den Punkteschnitt wie sein gefeuerter Vorgänger Magath an den ersten 19 Spieltagen und man verpasste sogar die CL-Quali.
Seine letzte Saison 2007/08 war dann mit dem Luxuskader um Toni, Ribery etc. wieder von schönem Fußball geprägt. Das Verpassen des Sieges in der EL war allerdings schon ein Kritikpunkt, v.a. angesichts des blamablen Versagens beim 0:4 im Rückspiel in St. Petersburg.
Auf taktischer Ebene fielen mir auch einige Punkte ein, die mich in diesem Bereich an der absoluten Spitzenklasse von Hitzfeld zweifeln lassen. Die Suche nach dem Nachfolger für Matthäus war schon sehr absurd. Hitzfeld brauchte ein Jahr, bis er merkte, dass die Lösung Patrik Andersson in die Mitte zwischen zwei Manndecker zu stellen, taugt um die CL zu gewinnen. Der Versuch mit Jeremies hätte uns fast die Meisterschaft 2000 gekostet und verhinderte mMn den CL-Sieg 2000. Im Jahr darauf gabs dann einen Versuch mit dem zurückgeholten Sforza als Libero, dann eine Viererkette, in der teilweise Sforza und Andersson die IV bildeten!!! Erst im März 2001 stellte er Andersson als Mittelmann in eine Dreierreihe, genau ein Jahr nach Matthäus Abschiedsspiel.
HItzfeld hat (wie auch Magath) z.B. auch nicht erkannt, dass Ze Roberto auf dem Flügel zwar gut ist, aber als zentraler Mittelfeldspieler Weltklasseformat besitzt. Das kam erst nach dem Ende seiner ersten Bayernzeit zum Vorschein. Immerhin holte man ihn dann zurück und konnte ihn noch zwei Spielzeiten als Mittelfeldgestalter bewundern. Schweinsteigers Qualitäten im Zentrum sah Hitzfeld ebenfalls nicht, das schaffte erst van Gaal. Ich glaube nicht, dass dieses Talent damals noch nicht zu erkennen gewesen wäre.
Hitzfelds Umgang mit Helmer im ersten Jahr fand ich auch ziemlich daneben. Scheinbar musste er zur Stärkung seiner Autorität immer einen ehemaligen Führungsspieler, den man sportlich nicht mehr unbedingt brauchte, öffentlichkeitswirksam rasieren, um dem Rest zu zeigen, wer der Chef ist. Basler (den ich allerdings mehrheitlich als Opfer von UH und seiner eigenen Lebensweise bezeichnen würde), Strunz und auch Effenberg kamen ebenfalls in den Genuss, abserviert zu werden.
Mein Fazit: Hitzfeld war insgesamt 7 komplette Spielzeiten und dazu noch fast eine komplette Rückrunde Trainer und im Nachhinein muss man sagen, dass der Fußball, den wir unter ihm spielten über etwa die Hälfte dieses Zeitraumes in etwa die Attraktivität der Kovac-Zeit hatte. Es ist für mich auch kein Zufall, dass bei Kovac der sog. Heldenfußball wieder Konjunktur hatte, denn Kovac hat unter Hitzfeld gespielt und sich wohl da abgeschaut, dass Taktik eher zweitrangig ist und es das Ziel eines FCB sein muss, Spiele aufgrund der individuellen Klasse zu gewinnen. Hier noch ein interessantes Zahlenspiel: die Meisterschaft 2001 war sicherlich enorm spektakulär und die wohl emotionalste aller Zeiten wegen des Tors von Andersson in letzter Sekunde. Der Punkteschnitt dieser Spielzeit von 1,85 auf eine gesamte Saison gesehen war allerdings ziemlich mau, selbst für die Zeit vor 2012/13. Kovac musste 2019 mit 18 Punkten nach 10 Spielen (absolut zurecht) gehen, war also in seinem zweiten Jahr etwa in der Punkteklasse unterwegs wie Hitzfeld 2001. Die Punkteausbeute aus Kovacs erster Saison schaffte Hitzfeld genau ein einziges Mal in seiner Debut-Saison.
Meiner Meinung nach war Hitzfeld ein guter Trainer mit Stärken in der Mannschaftsführung. Dass er heute von vielen so hochgelobt wird, hängt auch damit zusammen, dass er ein paar Mal trotz gravierender Fehler auf den Füßen landete und trotz einiger schwer nachvollziehbarer Entscheidungen nicht auf die Schnauze fiel, auch weil ihn Last Minute Tore, Eigentore oder ein Torwart, der drei Elfer in einem Elfmeterschießen hielt, zum Vater einiger der spektakulärsten Titel der Vereinsgeschichte machten. Aufs Podium der Trainer der letzten 20 Jahre würde ich ihn deshalb aber nicht stellen.